Mittwoch, 19. Juni 2013

Wie der/die HerrIn so's Gescherr?


Also gut, es hat nicht geklappt – das mit dem fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf für eine Frauenquote. Dennoch bleibt das Thema auf der Wahl-Agenda. Trotz überzeugter Gegnerschaft stellt sich die FDP der Diskussion und lud am 03. Juni in den Bundestag ein. "Trendwende ohne Quote" titelte die Veranstaltung und versammelte QuotengegnerInnen und BefürworterInnen auf dem Podium wie im Publikum. 
Hier meldeten sich zwei überzeugte VertretER für eine gesetzliche Regelung zu Wort. Um Rekrutierungsroutinen und tradierte Verhaltensweisen beim Gerangel um die Macht effektiv zu überwinden, bedürfe es wirkungsvoller Werkzeuge. Der zweite Befürworter hatte ausgerechnet, dass es rund 250 Frauen bedarf, um die Aufsichtsratsposten der angestrebten Quote entsprechend zu besetzen. Raunen im Publikum. Kaum vorstellbar, dass es unter den zahlreichen Juristinnen, Betriebs- und Volkswirtschaftlerinnen, Wirtschaftsberaterinnen in der gesamten Republik nicht zweihundertfünfzig qualifizierte Anwärterinnen geben sollte.

Der Mittelbau müsse gefördert werden, statt mit Gewalt Quotenfrauen in die Poleposition zu katapultieren; so ein Argument der Gegner. Der Eingriff in die unternehmerische Freiheit widerstrebt den Liberalen, die eine eher natürliche Entwicklung bevorzugen. Warum aber eigentlich "fördern"? Frauen haben im Schnitt die besseren Abschlüsse, studieren mit Jura, BWL und VWL für die meisten Posten auch das Richtige. "Nicht behindern" würde reichen.
Gerade im Gesundheitssektor wird schnell offenbar, dass die folgende Gleichung gerade nicht aufgeht:
Frauen x (Basis + Mittelbau) = entsprechende Besetzung auf den Führungsposten.
Eher so: Viele "IndianerINnen", wenig "HäuptlingINnen".

Erst wenn oben die Entscheidung getroffen wird, gleichgültig ob durch einem Mann oder eine Frau,   dann passiert auch unten etwas:
Bahnchef Rüdiger Grube will den Technik-Vorstand nun mit einer Frau besetzen. Kein Klassiker, wie die Position des Personalvorstandes, sondern ein richtig harter Job, der Durchsetzungskraft und Verhandlungsgeschick verlangt. Das Novum: unter den Kandidaten befinden sich gleich mehrere Frauen!
Einen ebenfalls harten Job wird Bettina Volkens ausfüllen. Sie ist nach der Berufung von Simone Menne ins Finanzressort die zweite Frau im Lufthansa-Vorstand und wird als Arbeitsdirektorin mit Tarifverhandlungen befasst sein sowie mit der unangenehmen Aufgabe Stellen abzubauen. Der Lufthansa-Konzernchef Christoph Franz selbst ist es, der sich für ein Mehr an Frauen in Führungspositionen ausspricht und von seinen Führungskräften gute Argumente fordert, wenn ein zu freier Posten nicht weiblich besetzt wird. 
Wie der Herr so eben's G'scherr.

Eine gesetzliche Quote würde in internationalen, börsennotierten Unternehmen nicht dem deutschen weiblichen Nachwuchs die entsprechenden Chefsessel sichern, sondern Führungsfrauen aus dem Ausland lautet ein weiteres gegnerisches Argument. Wir erinnern uns: rund 250 bräuchten wir....  Aber sei's drum. Ist eine international besetzte Führungsebene in international agierenden Unternehmen so undenkbar – nur weil sie weiblich ist? Selbst wenn sich landauf, landab nicht die erforderliche Anzahl an qualifizierten Führungsfrauen finden ließe, dann könnten wir doch von den Chefinnen aus England, Frankreich oder den USA lernen?! Und auch sie könnten als lang vermisste Vorbilder für jüngere Frauen aus dem Mittelbau fungieren?!

Eine Trendwende sei nun auch ohne Quote zu erkennen, war dem Motto der Veranstaltung entsprechend, mehrmals vom Podium zu hören. Ohne klare Forderung – auch aus Brüssel – nach einer gesetzlichen und mit Sanktionen versehenen Regelung wäre diese, nun zu Recht gelobte Wende wohl kaum eingetreten. Die Quote wirkt bereits – wenn auch indirekt.
Eine Quote um der Quote willen, ist kaum das erklärte Ziel der Befürworterinnen und Befürworter. Sie kann nur Krücke sein, um die ersten Gehversuche aus verkrusteten Strukturen zu erleichtern. Manche Unternehmen brauchen keinen Zwang. Perfekt! Dann braucht es natürlich auch keine Quote. Sollte im ein oder anderen Fall eine Gehhilfe doch erforderlich sein, aber als zu schmachvoll empfunden werden? Dann kann man es ja mal ohne versuchen. Hauptsache kein Stillstand und v.a. kein entspannter Rückfall in alte Strukturen. Die Trendwende hat gerade erst begonnen....

Links zum Thema:

Bahnchef will härtesten Job einer Frau geben
Bahnchef Rüdiger Grube setzt beim härtesten Job im Konzern auf eine Managerin. Rund ein halbes Dutzend Kandidaten sind in der engeren Wahl für den Technik-Vorstand – die meisten sind Frauen. Von Nikolaus Doll

Bahnchef Grube sendet das falsche Signal
von Ferdinand Knauß
Die Deutsche Bahn steht unter dem Druck der Quotenpropaganda, eine Frau als Technikvorstand zu berufen. Ein Lehrstück der Dominanz der Ideologie über die Vernunft.

Eine Exotin rückt in den Lufthansa-Vorstand auf
Mit ungewöhnlichen Ideen und Loyalität zu ihrem Chef hat sich Bettina Volkens den Weg in den Lufthansa-Vorstand gebahnt. Nun stehen der Arbeitsdirektorin harte Zeiten bevor. Von Nikolaus Doll und Ernst August Ginten

Wechsel im Vorstand: Lufthansa macht Simone Menne zur Finanzchefin
Die Lufthansa setzt auf Frauen-Power - und beruft die Managerin Simone Menne in den Vorstand. Es ist das erste Mal, dass eine weibliche Führungskraft das Finanzressort eines Dax-Konzerns leitet.

Wieder erobern zwei Frauen einen Vorstandsposten
Beim Autozulieferer Continental und beim Dax-Konzern Henkel werden erstmals Frauen in den Vorstand berufen. Beide leiten die Personalabteilungen.

Frauen arbeiten sich immer schneller an die Spitze
Eine Frau im Vorstand eines Dax-Konzerns ist immer noch eine Schlagzeile wert, zuletzt bei der Lufthansa. Experten beobachten jedoch, dass der Run auf den Chefsessel eine Eigendynamik entwickelt. Von Olaf Gersemann

Strategie für Führungsfrauen:

Studie zu Führungsfrauen
Zu viel lächeln ist auch nicht gut
04.06.2013 ·  Ein gewinnendes Lächeln oder ein Scherz auf den Lippen sind in der Arbeitswelt nicht immer von Vorteil. Münchener Forscher haben herausgefunden: Frohnaturen wird das Chefsein nicht unbedingt zugetraut. Jedenfalls dann nicht, wenn die Spaßvögel Frauen sind.

International:

Im Iran hat Zahra für Wirbel im Wahlkampf gesorgt. Frauen waren zwar ausgeschlossen, aber eine weibliche Comicfigur wird zur Hoffnungsträgerin....

Comicfigur will Nachfolgerin Ahmadinedschads werden
Eine virtuelle Wahlkampagne im Internet macht die Mullahs offenbar nervös: Der (echte) Geheimdienst überwacht die 52-jährige Kandidatin und deren Schöpfer, ein arabischer und ein iranischer Künstler. Von Sonja Gillert

HEUTE WAHL IM IRAN!
Diese Comic-Figur will Präsidentin werden
Zahra steht für die, die sich nicht zur Wahl stellen dürfen. Sie ist ein Produkt der unterdrückten Opposition. Schlägt bald ihre Stunde?

WAHLKAMPF BEGINNT!
Diese Frau will Irans erste Präsidentin werden
Die Anmeldefrist ist vorbei: 400 Iraner wollen Nachfolger von Ahmadinedschad werden. Der selbst aber ist unter Druck. Der Wächterrat will ihn vor Gericht bringen

Literaturempfehlung:

Für die Ferienlektüre seien die Romane von Sibylle Lewitscharoff empfohlen, der neuen Büchnerpreisträgerin.

Büchner-Preis geht nach Berlin
Zu viel Wahrheit tut nicht gut
04.06.2013
von Gregor Dotzauer
Metaphysische Spiele: Die Berliner Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff erhält den Georg-Büchner-Preis. http://www.tagesspiegel.de/kultur/buechner-preis-geht-nach-berlin-zu-viel-wahrheit-tut-nicht-gut/8299422.html

LITERATUR
Für Sibylle Lewitscharoff sind wir „fantastische Wesen“ | WAZ.de - Lesen Sie mehr auf: