"Typisch Frau typisch Mann?" Laut Allensbachstudie reden Frauen bevorzugt über Beziehungen und Kinder. Männer dagegen über Sport, Politik und Computerspiele. Wenn sie überhaupt reden; denn in Sachen Kommunikation ziehen sich junge Männer zurück.
Um nicht der "Feigheit" bezichtigt zu werden und auch um in der Welt der Aufsichtsräte klar zu kommen, möchte ich heute dem Rollenklischee entgegenwirken und mich auf Zahlen konzentrieren. Schließlich ist ein "Aufsichtsrat (...) kein Kaffekränzchen" wie Gerhard Cromme die "Damen" in einer Dinner Speech informiert. Das war im Jahr 2007, anlässlich einer Corporate-Governance-Veranstaltung zu der der Juristinnenbund eingeladen hatte. Als Folge dieser Aufklärung sind viele der Angesprochenen in den Verein Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR e.V.) eingetreten, dem nun ein neuer Index zu verdanken ist: der in der letzten Woche veröffentlichte Women-on-Board-Index.
In dieser Woche stellte am Mittwoch Prof. Dr. Renate Köcher die Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) "Typisch Frau, typisch Mann?" vor. Den Auftrag hierzu erteilte das Unternehmen Jakobs Krönung in Kooperation mit Bild der Frau. Gefragt wurde nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Kommunikations- und Führungsverhalten, nach Rollen- und Selbstverständnis.
63% der Gesamtbevölkerung halten Familie und Beruf für unvereinbar. Bei den Vätern von Kindern unter 18 Jahren sind es 68% und bei den Müttern – wen wundert's - 72%. Hier offenbart sich nicht nur eine mangelhafte bis katastrophale Betreuungsinfrastruktur für den so dringend benötigten Nachwuchs, sondern auch ein tief verinnerlichtes Rollen- und Erziehungsverständnis. Im Gegensatz zum Nachbarland Frankreich glauben die Deutschen, dass Kindererziehung am besten Zuhause stattfindet. Während im Osten der Bundesrepublik eine Ganztagsbetreuung mit 60%-Zustimmung eher positiv gesehen wird, sehen es im Westen nur 24 % der Befragten so.
59% der deutschen Frauen würden sich am wohlsten als "Mutter mit einer Teilzeitbeschäftigung" fühlen. Als "vollberufstätige Mutter" sehen sich lediglich 18%, aber immer noch mehr als die "vollberufstätige Frau ohne Kinder" mit 13%. Immerhin 14% können einem Lebensentwurf als "Hausfrau und Mutter" zustimmen.
57% der von den Meinungsforschern Befragten gaben allerdings an, dass Chef oder ChefIN keinen Unterschied machen würde.
Ist dann aber tatsächlich mal eine Frau UND Mutter ganz oben, schnappt die Rechtfertigungsfalle zu – in Deutschland. Das weiß Virpy Richter zu erzählen, die es in einem mittelständischen Unternehmen zur Vollzeitchefin gebracht hat, unterstützt durch einen Ehemann – selbständig – der das Familienmanagement als gemeinsame Aufgabe begreift. http://www.morgenpost.de/familie/article1555527/Ein-Leben-zwischen-Chefetage-und-Kinderzimmer.html
Auch die Vorstandsvorsitzende der SKW Metallurgie Ines Kolmsee kann sich auf einen Ehemann stützen, der das Thema Kinderbetreuung nicht allein bei der Mutter angesiedelt sieht. Beim ersten Kind versuchte er – ebenfalls Führungskraft – Teilzeit zu arbeiten. Der Arbeitgeber verweigerte die Genehmigung. Unter dem Titel "Wie frauenfeindlich sind deutsche Konzerne?" werden in der aktuellen Ausgabe des Manager Magazins die Hintergründe der im Women-on-Board-Index ermittelten Zahlen beleuchtet. Als Medienpartner von FidAR bringt das Magazin die detaillierte Untersuchung einer breiteren Öffentlichkeit näher und zeigt wie weit der Weg noch ist. Ein mangelhaftes oder gar nicht vorhandenes Kita- und Ganztagsschulsystem ist die eine Wahrheit und resultiert gleichsam aus der anderen, die Klaus-Peter Müller, Vorsitzender der Kodex-Komission, im Interview nennt: "Es gibt darüber hinaus ganz viele Männer von tüchtigen Frauen, die alles tun, um ihren Frauen zu sagen: bis hierher und nicht mehr weiter. Das ist ein gesellschaftlich tabuisiertes Thema bei uns." Noch etwas konkreter: "Aber versetzen Sie doch mal eine Frau ins Ausland, wenn der Mann eine Stelle aufgeben müsste. Da ist was los, und zwar in den eigenen vier Wänden." (Manager Magazin 03/11, S.106)
Kommt es zum Schwur, zeigt sich die real existierende Gleichberechtigung. Gleichgültig, ob 51% der Bevölkerung weiblich ist und 70% der Kaufentscheidungen von Frauen getroffen werden - 0,00% Frauenanteil in den obersten Führungsgremien ist keine seltene Größe im WoB-Index. Als Quintessenz der Untersuchung steht sie hinter 108 von 160 börsennotierten DAX-Unternehmen (M-, S- und TecDax). Richtig spannend wird die Lektüre, wenn diese Zahl mit konkreten Namen in Verbindung gebracht werden kann, ganz links in der tabellarischen Auflistung. Beispiel: Hannover Rückversicherung AG (MDAX), Anteil Frauen AR (Aufsichtsrat) 0%; Anteil Frauen Vorstand 0%; WoB-Index 0,00%.
Weitere Details sind unter http://www.fidar.de.
"Die Herren sind beunruhigt" kommentiert Monika Schulz-Strelow, Präsidentin von FidAR die Reaktion aus einigen der aufgelisteten Unternehmen während eines Arbeitsgesprächs anlässlich des 100. Weltfrauentages. Die Veröffentlichung kratzt am Image, ja vielleicht bald sogar an der Reputation in Zeiten von Corporate Governance, CSR und Selbstvereinbarung. Und darauf hofft Schulz-Strelow, indem sie (ganz im Sinne der Führungsmänner) auf nackte Zahlen setzt und nicht auf Anklagen oder moralische Einsicht: "Unser Hauptanliegen ist, Transparenz zu schaffen (...) Welches Unternehmen liest schon gern im manager magazin, dass es zu den 108 Konzernen gehört, die weder im Vorstand noch auf der Kapitalseite im Aufsichtsrat eine Frau haben." (Manager Magazin, 03/11, S.104) Im Ausland wirken Männerriegen nicht besonders innovationsfreudig. Das Geld von Frauen ist gern gesehen, weibliche Teilhabe am System eher weniger – diese Botschaft kommt auch bei den zahlreicheren ChefINen außerhalb Deutschlands an.
'Es gibt sie ja nicht, die Frauen, die auf die großen Chefsessel passen, mangels genügender Qualifikation', lautet dann die Entgegnung der Traditionalisten. Auch das wäre eine genauere Betrachtung wert. Vorerst bestätigt die Allensbachstudie, dass nach wie vor mehr junge Männer unter den MINT-Fächern das für sie passende Studium wählen, während Abiturientinnen eher auf weiche Faktoren setzen und Fächern mit einem höheren Kommunikationsanteil den Vorzug geben. Das mag mit Veranlagung zu tun haben, ist aber zu einem guten Teil auch der Männerdominanz in den Naturwissenschaften v. a. aber in den technischen Berufen geschuldet.
Landeseigene Betriebe wie die Berliner Verkehrsbetriebe oder dem Gasversorger Gasag können sich hier profilieren und zeigen wie's geht. Die BVG wirbt um weibliche Azubis, auch unter den MechatronikerINen. Immerhin 20% Straßen- und U-Bahnfahrerinnen sind im Unternehmen; bei den Berliner Wasserbetrieben sind 40% Frauenanteil unter den Führungskräften schon erreicht. Weiterer Druck wird aufgebaut, wenn die Auftragsvergabe vom Anteil weiblicher Führungskräfte beim Bewerber abhängig gemacht wird. http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/berliner-wirtschaft/berliner-firmen-setzen-auf-ihre-weibliche-seite/3872034.html
Mädchen oder junge Frauen handeln bei ihrer Berufsentscheidung ebenso ökonomisch wie Jungen oder junge Männer; nur dass ihre "Ökonomie" etwas anders aussieht. Die Aussicht auf eine zukünftige Position oder ein hohes Gehalt, verfängt bei weiblichen Studierenden weniger. Zum einen, weil diese Statussymbole für Frauen weniger interessant sind, und zum anderen ist es ja angesichts der zu erwartenden Unternehmens- und Gesellschaftsstrukturen ohnehin fraglich, ob die angestrebte Position für sie überhaupt realistisch ist. In der Konsequenz dürften sich viele junge Frauen gegen ein sog. MINT-Fach entscheiden. Finden sich dagegen mehr AusbilderINen, ProfessorINen und auch mehr Frauen auf den Chefsesseln – für eine erste Besetzung dürfte es reichen – existierten mehr weibliche Vorbilder. Im Fach Medizin hat es ja schon ganz gut geklappt.
Mein Vorbild war die Physikerin Madame Curie. Ihr habe ich mein Interesse an den Naturwissenschaften und ein Grundstudium der Chemie und Biochemie zu verdanken.
Weitere Links:
Mehr zur Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD): Typisch Frau, typisch Mann?
Weiteres zur Quotendiskussion:
Vereinte Nationen gründen "UN-Women"
Chefin ist die frühere chilenische Präsidentin Michelle Bachelet „Den Ländern, in denen Frauen mitlernen und mitentscheiden dürfen, geht es besser. Keine Gesellschaft kann auf die Kraft und die Ideen der Hälfte ihres Volkes verzichten.“
Hier zwei Beiträge aus der Ecke der Traditionalisten:
"Mit Männerquote gegen den Ärztemangel?"
Das Neue Deutschland beschäftigt sich mit Vorschlägen zu einer Männerquote im Medizinberuf. Zur Erinnerung: "am 16. Mai 1904 genehmigte der württembergische König in einem Erlass, dass „reichsangehörige weibliche Personen unter den gleichen Voraussetzungen und in der gleichen Weise wie männliche Personen an der Universität Tübingen“ als Studierende immatrikuliert werden. In Preußen wurde das Frauenstudium erst 1908 allgemein erlaubt. Im Jahre 1913 waren etwa 8% aller Studierenden weiblichen Geschlechts; bis 1930 stieg dieser Anteil auf etwa 16%." (Quelle: Wikipedia)
Frauenquote auf Kosten der Männer?
Ein ganz besonderes Forum stellt die Financial Times Deutschland dem Autoren ("Was vom Manne übrig blieb", Aufbau Verlag) und Soziologieprofessor Walter Hollstein zur Verfügung. Die stramme Benachteiligung von Jungen und Männern ist seiner Ansicht nach die Wahrheit. Ob er wohl die Allensbachstudie kennt? Die stellt nämlich fest, dass junge Männer immer weniger an wirtschaftlichen oder politischen Themen interessiert sind, was u.a. auch daran liegt, dass sie weniger Zeitung lesen als junge Frauen. Die Ausbrüche zeigen, dass das traditionelle (Selbst-)Bild von einem Mann, das im Kern auf Ausgrenzung oder Herabstufung des weiblichen Teils der Bevölkerung gesetzt hat und z.T. noch setzt, unaufhaltsam bröckelt. http://www.ftd.de/politik/deutschland/:gleichberechtigung-frauenquote-auf-kosten-der-maenner/60014280.html
Noch heiterer wird es unter:
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