Sonntag, 12. Dezember 2010

Das war die 49. Kalenderwoche: Frauenanteil - SPD - DDR - McKinsey


Da ist sie die Frage, nach dem Huhn und dem Ei. Die frauenpolitische Sprecherin der SPD, Caren Marks fordert die Frauenquote, um überhaupt etwas anzuschieben - in den Führungsetagen. Ist die Führungsriege erst mal weiblicher, werden sich auch die Strukturen ändern; erfrischend auch der Hinweis, dass ein Teil des Mangels an Fachkräften durchaus mit weiblicher Beteiligung aus eigener Kraft zu stemmen wäre.
Und wie war das eigentlich in der ehemaligen DDR? Gleiche Arbeit wurde gleich entlohnt, die Vereinbarkeit von Studium bzw. von Beruf und Mutterschaft war dank sozialistischer Strukturen leichter möglich als in der BRD. Recht traditionell erhielt sich aber das Frauenbild: "Dessousschauen" bei Weihnachtsfeiern oder "Blümchen und Sekt" am 8. März, und in der Politik gab es ohnehin nur Front-Männer. Die Verantwortung für Familienpflege und Kindererziehung blieb dann, vor allem nach gescheiterter Beziehung, in mütterlicher Hand. Das könnte vielleicht als Erklärung dienen, warum die Praxis vieler Betriebe weitgehend unwidersprochen blieb, nach der Wiedervereinigung bei Umstrukturierungen die gleichgestellten weiblichen Mitarbeiter zuerst zu kündigen. Der Mann als Ernährer stand unter Kündigungsschutz?
Der Frauenflucht in den Neuen Bundesländern wäre vielleicht doch mit einer Quote gegenzusteuern? Das könnte immerhin dazu führen, dass Frauen wenn schon nicht ausdrücklich im beruflichen Umfeld gefördert, so doch wenigstens nicht kaltgestellt werden. Einen sehr aufschlussreichen und wenig hoffnungsfrohen Bericht gibt die Thüringer Landeszeitung, unter: http://www.tlz.de/startseite/detail/-/specific/Viele-Frauen-waren-keine-Gewinner-der-Einheit-549613881
"Deutschland ist kein Frauenland" zieht Welt-Online das traurige Fazit und noch trauriger: Spanien ist uns über. Im Land der Toreros beläuft sich bei den größten börsennotierten Unternehmen der Frauenanteil in Aufsichtsräten auf 10%, in Worten: ZEHN PROZENT. Zur Erinnerung: in Deutschland sind es 2%, in Worten: ZWEI PROZENT. Das Thema steht beim südeuropäischen Nachbarn eben schon länger auf der Agenda als bei uns.
Hierzulande tut sich erst etwas in den Konzernen, wenn der Teil der Personalpolitik zur Chefsache wird. Eine Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey zeigt, "wenn CEOs und Aufsichtsratschefs Diversity ganz oben auf ihre strategische Agenda setzen und dies aus Überzeugung tun, haben wir eine reelle Chance, den Frauenanteil in Toppositionen wirklich spürbar zu erhöhen". Bei 86 Prozent dieser Unternehmen betrug der Frauenanteil in den oberen Etagen 15 Prozent. FÜNFZEHN PROZENT. Bis zur norwegischen Marke ist es allerdings noch ein weiter Weg. Eines der größten Karrierestolpersteine ist die mangelhafte bis miserable Selbstvermarktung von Frauen. Sich selbst anzupreisen und die eigenen Heldentaten zu verkünden, da fehlt es denn doch an jahrhundertelanger Erfahrung. http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article11517593/Deutschland-ist-kein-Frauenland.html

Vielleicht im Dreischritt:
Frauenquote. Damit überhaupt etwas passiert.
Strukturwandel. Damit es auch funktioniert.
Wandel der Manns- und Frauen-Bilder. Für die Nachhaltigkeit.

Sonntag, 5. Dezember 2010

Das war die 48. Kalenderwoche: Gewalt – Vielehe – Strukturwandel - FußballerINen

 Jawoll: es gibt sie, die HeldEN, die ganzen Kerle, die RettER. Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg, inzwischen 75 paddelt zwar nicht mehr mit einem Floß über den Atlantik und isst wohl auch keine Würmer mehr; nutzt aber diese kompromisslose Durchsetzungskraft, um sich gegen weibliche Genitalverstümmelung zu engagieren – nach der Lektüre von Waris Diries Buch "Wüstenblume". Dort wo Menschrechtsorganisationen der Mut aus Furcht vor Racheakten fehlt, dokumentiert er, diese grauenvollen Praktiken mit Bildern und zeigt sie muslimischen geistlichen Führern. Wichtiger Meilenstein: eine Konferenz an der ägyptischen Azhar-Universität führte dazu, dass dieser Brauch nun als "Sünde" einzustufen sei. (FAS 04.12.2010, Nr. 283, Z6 Bilder und Zeiten oder unter http://madrasaoftime.wordpress.com/)
Im Iran dagegen versuchen Regierung und muslimische Geistlichkeit die Uhren wieder zurückzudrehen und junge Frauen zur frühen Ehe und zur Ehe auf Zeit zu ermuntern. Mädchen ist eine Heirat mit 13 erlaubt - mit väterlichem Einverständnis auch früher. Eine eheliche Verbindung auf wenige Stunden, Tage oder Wochen betrachten dagegen iranische Familienoberhäupter der bürgerlichen Mittelschicht als sicheren Weg in die Prostitution; Koran hin, Tradition her. http://www.fr-online.de/politik/vielehe-fuers-regime/-/1472596/4894274/-/index.html
Die institutionalisierte Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland weitgehend abgeschafft, nicht aber das Bewusstsein, dass mann ruhig mal zuschlagen kann. Susanne Lehmann, Autorin beim Zeit-Magazin, wird auf offener Straße von drei männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 17 fast zu Tode geprügelt. Grund? Weil sie so klein war. Auszüge ihrer Schilderung des Erlebten unter http://www.bild.de/BILD/news/2010/12/04/frau-auf-heimweg-ueberfallen/berlin-zeit-magazin-autorin-susanne-leinemann-berichtet.html
Allein in der Bundesrepublik belaufen sich die Folgekosten von Männergewalt auf ca. 14,5 Mrd. Euro jährlich. http://www.frauenhauskoordinierung.de/index.php?id=38 Welch schöne Programme ließen sich damit finanzieren, um Jungs ein zeitgemäßes männliches Selbstverständnis zu vermitteln. Rüdiger Nehberg könnte als Vorbild dienen und hätte vielleicht die ein oder andere Idee.
Die globale Initiative "Say no to violence"  gibt die Möglichkeit direkt vom Schreibtisch aus Stellung zu nehmen. http://www.saynotoviolence.org/
Immer wieder neu gilt es, die Wahrnehmung zu schulen: wo sind Denkstrukturen so verkrustet, dass Neues gar erst nicht gedacht werden kann. Den Blick über den Tellerrand wagen immerhin einige, wenige Unternehmen, die den gesamtgesellschaftlichen Aspekt der Nachwuchsfrage allmählich erkennen und an neuen Arbeitsmodellen arbeiten. Schöne, neue Welt? "Entschleunigung der Arbeitswelt trotz globaler Konkurrenz". Ich träume weiter: Ja, öffentlicher Raum und Geschäftsgebäude müssten anders gestaltet werden, Betriebskindergärten ebenso obligatorischer Bestandteil bei Gebäuden sein wie die Belüftung. Die Betreuung kranker Kinder würde zukünftig nicht allein auf den Schultern der Mütter liegen, sondern auch auf denen der Väter und Krankenkassen, die bei Bedarf die "mobile Kinderpflegerin" vorbei schicken.... http://www.fr-online.de/politik/meinung/jenseits-von-zickenkrieg-und-stoeckelschuh/-/1472602/4893642/-/index.html
Also gut! Ein Schritt nach dem anderem! Ein erster Wandel setzt ja schon ein, wenn Väter sich aus Konferenzen verabschieden, um die lieben Kleinen pünktlich vom Kindergarten abzuholen. Aber, wenn zwei das Gleiche tun, dann ist es noch lange nicht dasselbe. Verabschiedet sich ein ManagER aus dem Meeting, um den Nachwuchs zu betreuen, kommt das fast einer Heldentat gleich; meldet sich eine ManagerIN ab, ist der Beweis erbracht, dass sie dem Unternehmen wohl doch nicht uneingeschränkt zur Verfügung steht. Delegiert sie die Kinderbetreuung, trägt sie schnell das Etikett "Rabenmutter". Um die Entwicklung von Strukturen, die Geburt von Kindern und deren anschließende Erziehung nicht zum Betriebsunfall werden lassen, sondern zur notwendigen Grundlage einer wirtschaftlich und politisch funktionierenden Gesellschaft, macht man sich auch beim Nachbarn Österreich Gedanken. http://derstandard.at/1289609188779/Grossteil-der-Kinder-nicht-geplant
Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Unsere FußballweltmeisterINnen genießen bei weitem nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die männliche Fußballelf. Zwar im sportlichen Wettkampf geübt, gelingt es SportlerINen offenbar weniger, von den Medien adäquat wahrgenommen zu werden. Beim 5. Olympischen Abend der Deutschen Olympischen Gesellschaft kontert ZDF-Sportreporter Wolf-Dieter Poschmann und verabschiedete sich vorübergehend von seiner Moderatorenrolle: „Wen wir zeigen, hängt nicht vom Geschlecht, sondern von den Erfolgen ab". Ginge es danach, müssten ja auch die FußballweltmeisterINen in Sportsendungen präsenter sein. Gibt es eigentlich FußballtrainerINen?
http://www.dosb.de/de/sportentwicklung/frauen-im-sport/news/detail/news/faszination_olympia_frauenpower_im_sport/8251/cHash/40490f0dc3/  

Freitag, 26. November 2010

Das war die 47. Kalenderwoche: Quotenfrauen – Quotenmänner – Norwegen – deutsche Wirtschaft am Start?

"Männer in die Pantry (Schiffsküche), Frauen ans Steuer." ist auf dem Prospekt einer Berliner Segelschule zu lesen, den ich als letzte Beute der Berliner Bootsausstellung in die Tasche stecke. Die "besserwissende Männerwelt" ist aus manchen Kursen ausdrücklich verbannt. Frauen dürfen von schlauen Kommentaren unbelastet lernen; frei von Bemerkungen wie "also, mal ganz objektiv...", "logischerweise.." oder "kann nicht sein...". www.meer-seen.de
Jungunternehmerin Marie-Christine Ostermann, Vorsitzende des Verbands Die Jungen Unternehmer, hält eine Quote für ein Mehr an AufsichtsrätINnen für überflüssig und rät den Frauen lieber zu den richtigen Studienfächern. Immerhin wird das Fach Betriebswirtschaft im Durchschnitt von ca. 50% StudentINen wahrgenommen. Und trotzdem ist die Pole-Position eine andere, wenn frau im Alter von 27 das väterliche Unternehmen übernimmt und nicht – wie viele, viele andere – sich um den Job der GeschäftsführerIN extern bewerben muss. Dennoch: jede Frau in Führungspositionen zählt, vor allem als Vorsitzende beim BJU.
 http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article1703020/Ostermann-Frauen-brauchen-keine-Quote.html
Ein etwas abweichendes Meinungsbild zeigt eine Umfrage bei Deutschlands Chefinnen, die Welt-Online im Sommer 2009 gestartet hat und nun bezeichnenderweise in einen Artikel eingebettet ist, der die Sorgen der Top-ManagER Deutschlands um ihren recht angekratzten Ruf zum Thema hat. Hier zeigt sich, dass 44% der Top-Managerinnen die Quote befürworten, während diejenigen, die lieber nicht als Quotenfrau in Amt und Würden sein wollen, sie temporär begrüßen. Interessant auch, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei den Managerinnen nach eigener Aussage kein Problem darstellt. Bemerkenswert sind die Angaben zur Motivation, die dem Streben nach Karriere zugrunde liegen. Nur 25% interessieren sich für Macht, 94% müssen begeistert von ihrer Aufgabe sein, um ihre Karriere engagiert voranzutreiben und für nur 13% bilden Geld und Status die entscheidenden Kriterien. Josef Ackermann, René Obermann oder Jürgen Zetsche – so lässt sich vermuten – würden die Prioritäten sicher anders setzen.
Um das weibliche Potential im Land zu heben, hat Norwegen bereits vor 10 Jahren, den Weg der Quote eingeschlagen. Schnell war die freiwillige Selbstvereinbarung seitens der Unternehmen als Lippenbekenntnis entlarvt und erst dank handfester Sanktionen ist nun die 40%-Marke Frauenanteil in Aufsichtsräten erreicht. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung lässt ein wenig in die Zukunft blicken; denn hier finden sich die gleichen Argumente der Gegner und Befürworter, die wir gegenwärtig der deutschen Tagespresse entnehmen. Fazit: die Quote hat immerhin eine Machtkampffreie Zone geschaffen, so dass auch anfängliche ZweiflerInnen im Rückblick den Nutzen erkennen. Nach erstem Widerstand hat z.B. der norwegische Arbeitgeberverband eine Datenbank eingerichtet, die Unternehmen und Geschäftsführer in einem Programm zusammenfasst, die sich verpflichten, mehr Frauen in Verwaltungsräte zu bringen. Statt also des vorgeschobenen Arguments, dass gar nicht genügend qualifizierte Frauen zur Verfügung stehen, um die Posten gebührend zu besetzen, werden sie hier gezielt an den Start gebracht.
http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07310.pdf
Aber denken wir die 40% Geschlechterquote doch mal geschlechtsunabhängig. Das würde Betriebe zwingen, auch Männer zu fördern – jawohl! In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, wo das Pflegepersonal mit ca. 80% bis 90% frauendominiert ist. Zustände sind das! Gerade in Kindergärten und Grundschulen geht ja schon lange die Klage, dass Jungen benachteiligt sind, ja geradezu gefördert werden müssen - aufgrund mangelnder gleichgeschlechtlicher Bezugspersonen. Wie aber – qualifizierte – Quotenmänner finden? Nach dem Vorbild sog. MINT-Programme, in denen junge Mädchen an naturwissenschaftlich und technisch geprägte Berufe herangeführt werden, müssten Programme für Jungen entwickelt werden, um sie für soziale Berufe vorzubereiten. Eine deutliche gesellschaftliche Würdigung und Anerkennung dürfte gleichfalls deren Attraktivität erhöhen. Also nicht nur der Manager im Boss-Anzug oder der Arzt im weißen Kittel genießen in Zukunft Bewunderung und Prestige, sondern auch der Kindergärtner und Altenpfleger. Welche Möglichkeiten tun sich da der Telenovela-Industrie auf....? Ach ja, und das Thema Entlohnung wäre dann ganz neu aufzugreifen: die geld-werte Schätzung der Erziehung von Kindern und der menschenwürdigen Betreuung, wenn sich das Leben dem Ende zuneigt. Sind Bildungs- und Sozialstandards nicht auch Kriterien, die bei Investitionen eine Rolle spielen? 
So könnte es doch gehen, auf dem Weg zur gerechten Quote: die 40%-Frauen für die Posten der Aufsichtsräte machen den Anfang, gefolgt von den 40%-Quotenmännern...... Bis dahin können wir ja schon mal auf der Segelyacht üben – auch ein kleiner Kosmos: Männer in die Pantry, Frauen ans Steuer. Mal sehen, was es zu essen gibt – und wann...?

Dienstag, 23. November 2010

Das war die 46. Kalenderwoche: Unternehmenskultur - theoretische Frauenquote - praktische Ellbogen


Dieses Mal aufgrund von Serverversagen leider etwas verspätet, aber jetzt:

Bayern macht's vor. Hier denken Vertreter aus Wirtschaft und Politik über den Mehrwert nach, der durch den Faktor Familie für Unternehmen zu generieren ist. "Kindererziehung" als "Lebensschule" und nicht als "Trockenübung" zu betrachten, das Thema "Babypause" als Gesprächsthema salonfähig unter den GeschäftspartnERn zu machen, wie das "Handicap" – beim Golf versteht sich – ist das Ziel. Lässt sich hier auf einen wirklichen Wandel der Werte hoffen?
Die Macho allerdings gibt Alice Schwarzer, die nach wie vor auf Kristina Schröder feuert. Schade, dass sie ihre Verdienste auf so wenig, wie den kleinen "Unterschied" zu reduzieren scheint. Um was geht es wirklich? Um selbstverständliche Rechte von Frauen? Dazu würde auch die selbst-bewusste und freiwillige Entscheidung zur Familie gehören und andere Entscheidungen.... http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E1A7132276BB545768D5D4F21477CEE7C~ATpl~Ecommon~Scontent.html
http://www.focus.de/politik/deutschland/fietz-am-freitag/feminismus-debatte-wie-schneewittchens-boese-stiefmutter_aid_571275.html 
Insgesamt ließe sich die Entwicklung doch auch einmal so betrachten: die Frauen von heute wollen aufgrund ihrer Leistung, ihrer Qualifikation eingestellt werden und nicht mit Hilfe von Artenschutzauflagen. Hier könnten sich die Feministinnen der 70er und 80er doch auf die Schultern klopfen und sagen: wir haben es geschafft. Unsere Töchter haben soviel Selbstbewusstsein, dass sie eine Quote als überflüssig betrachten. Die Realität sieht z.Z. noch anders aus – vor allem in den höheren Etagen. Vor allem nach dem ersten Kind. http://nachrichten.rp-online.de/politik/alice-schwarzer-legt-nach-1.107054
Entscheidend ist der raue Alltag; den aber hat Innenminister Thomas de Maizière vermutlich eher klassisch erlebt. Im Interview mit seiner Frau Martina im Focus (Nr. 46/10) ist zu lesen, dass der Minister auch schon mal eine wichtige Sitzung zugunsten des Abiturballs der Tochter sausen ließ. Abiturbälle kommen so häufig nicht vor – bei drei Kindern kalkulierbar und meist auf die Abendstunden beschränkt. Was ist aber, wenn frau ihren Mann in einem Projekt mit deadline stehen muss – und dann ruft der Kindergarten an, dass das plötzlich erkrankte Kind abzuholen sei? Sofort! Und dann bleibt dieses Kind krank – unberechenbar und tagelang....
Ebenso überraschend mutet die Empfehlung an, dass karrierebewusste Frauen ihre Kinder früher bekommen sollten, dann hätten sie den Rücken frei, nämlich zwischen 35 und 40, wenn Karrieren geschmiedet werden. Aha! Wann den Partner finden, schwanger werden – 9 Monate – das Kind bekommen...? In der Schule? Im Studium, durch das frau dank Bologna ebenso mit Scheuklappen und stringent durcheilen muss wie jederMann. Wer dann die Jobsuche mit (Klein-)Kind ausprobieren möchte, sei dringend folgende Lektüre empfohlen. http://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article11100710/Frauen-Klar-aber-bitte-ohne-Kinder.html
An anderer Stelle rät de Maizière den Frauen zu Mobilität. Wie jetzt? Wo ist das Backoffice, das den lieben Kleinen ein verlässliches Zuhause und Ausgangsvoraussetzungen garantiert, so dass sie ihrerseits einen guten Start in die Gesellschaft haben? Unmittelbar nach der Wende als er ein Pendlerdasein führen musste, stand Frau Martina einsichtig bereit: "denn dazu war mein Mann (...) zwischen 1990 und 1995 in seiner politischen Laufbahn einfach zu hoch katapultiert worden." In den neuen Bundesländern sind gerade die jungen, qualifizierten Frauen so mobil, dass es sie dort bald nicht mehr gibt und nur die weniger qualifizierten und weniger beweglichen Männer zurückbleiben. Sind jetzt die "benachteiligt"?
Ja, "Ellbogen" dürfen natürlich auch nicht fehlen. Die ideale Frau: Mama SuperwoMan?
Empfehlung: nach der Lebensrealität fragen, bevor Soll-Bestimmungen erhoben werden. Frauen mit Kinderwunsch, Väter mit Wunsch nach Elternzeit, kleine und mittlere Unternehmen, die mit den Fehlzeiten ihrer Mitarbeiterinnen umgehen müssen und Frauen, die wenig Wert auf ewiges Konkurrenzgerangel legen, hätten sicher etwas zu sagen. Na ja, vielleicht findet man in Bayern etwas heraus – wenigstens, dass dem drohenden Fachkräftemangel schon mal durch die Aktivierung der  Ressource Frau begegnet werden kann.

Montag, 15. November 2010

Das war die 45. Kalenderwoche: Unternehmenskultur - Wirtschaftskultur - Rechtskultur

Fachkräftemangel hin, Frauenquote her. Schon geht die Angst in der Männerwelt um. So sieht Thomas Röll auf Focus-online Männer als die eigentlichen Verlierer der Geschlechtergleichstellung: 30 Prozent Gehaltsunterschied, gerade mal knapp über 3 Prozent Frauen in den Vorstandsetagen der DAX-Unternehmen; übertrieben und unter falschem Blickwinkel betrachtet. Unhaltbar auch die Zustände, dass wesentlich mehr Frauen im öffentlichen Dienst und z.B. als Lehrerinnen tätig sind und damit die heranwachsende männliche Generation einmal mehr benachteiligt ist.
Glücklicherweise zeigen global agierende deutsche Konzerne mehr Weitblick, wenn sie mit dem Bundesfamilienministerium eine "gemeinsame Initiative (...) für mehr Frauen in Führungspositionen" starten. Mit Unterstützung der Fraunhofer Gesellschaft soll nun untersucht werden, was Frauen tatsächlich daran hindert, in Toppositionen zu gelangen. Die jeweiligen Unternehmenskulturen werden dabei ins Zentrum der Analyse rücken. http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?r=431374&sid=&aktion=jour_pm&quelle=0&n_firmanr_=109243&pfach=1&detail=1&sektor=pm&popup_vorschau=0
Die französische Unternehmensberaterin Avivah Wittenberg-Cox sagt im Interview mit einem männlichen Journalisten, dass Frauen sich nicht vor der Verantwortung auf hohem Posten scheuen, aber wenig Neigung haben, sich auf das dafür erforderliche Gerangel um Macht einzulassen. Quoten sieht sie als notwendiges Korrektiv bei jedweder Schieflage: "Norwegen hat eine Quote in Aufsichtsräten von mindestens 40Prozent von einem Geschlecht. Das wird irgendwann die Männer beschützen." Statt überwiegend Kämpfer für die eigene Karriere bei der Besetzung höherer Führungspositionen zu berücksichtigen und Alphamännchen neben Alphamännchen zu positionieren, sollten ausbalancierte Teams gefördert werden, denn diese Unternehmen haben mehr Erfolg und im Schnitt höhere Gewinne. Die vermeintlichen Softskills entwickeln sich also zu ziemlichen Hard Facts. Auch beim Thema Fachkräftemangel sieht die Frauenrechtlerin noch nicht alle Potentiale am europäischen Markt erschlossen. Bevor die klugen Köpfe aus anderen Kontinenten importiert werden, sollten doch die bereits hier lebenden klugen Köpfe zum Einsatz kommen – auch wenn sie weiblich sind. Eine interessante Ergänzung in der Diskussion um Zuwanderung! http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/607947/Irgendwann-wird-eine-Quote-die-Maenner-beschuetzen?_vl_backlink=/home/wirtschaft/international/index.do
Eher kämpferisch gab sich hingegen Alice Schwarzer in ihrer heftigen Attacke gegen die Familienministerin Kristina Schröder, zeigte sich diese im Spiegelinterview von einigen Thesen des früheren Feminismus nicht "überzeugt". Ausdrücklich bekennt sich die junge Ministerin jedoch zu dessen Verdiensten, ohne die sie wohl kaum im Amt wäre. Das Schlimmste, was man ihr vorwerfen kann, ist die Ablehnung einer Frauenquote und den Vorschlag, dass in Schuldiktaten auch mal das Thema Fußball vorkommen sollte. Die Errungenschaften der Feministinnen scheinen selbstverständlicher Bestandteil des eigenen Lebens zu sein, so dass sich die Frage ob frau zur Frau geboren oder erzogen wird gar nicht stellt. Kristina Schröder lässt den Respekt nicht vermissen, lehnt für sich eine schwarz-weiß-Kategorisierung ab und äußert sich durchaus differenziert. Als Auslöser öffentlicher Empörung unter den weiblichen Führungskräften in Politik und Gesellschaft taugt dieses Interview nicht. Wenn sie jetzt noch Ideen hätte, wie Mädchen im Laufe ihrer Schulkarriere nicht das Interesse an Naturwissenschaften verlören....
Viel lesenswerter und klüger als der offene Brief an die Familienministerin liest sich die Laudatio der Herausgeberin der Zeitschrift Emma auf Necla Kelek bei der Verleihung des Freiheitspreises der Friedrich-Naumann-Stiftung. http://www.faz.net/s/Rub9B4326FE2669456BAC0CF17E0C7E9105/Doc~E56AB11F93EF64353BABFE041A2E720B4~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Den grundlegenden Kulturwandel, den Kelek mit ihren Veröffentlichungen einfordert, provoziert nicht nur Traditionalisten im islamischen Umfeld sondern auch manche westliche KulturromantikerInnen. Mit der Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der muslimischen Frau fordert sie gleichzeitig eine Aufklärung für den traditionellen Islam und den Mut zur Eigenverantwortung. Prosperierende und erfolgreiche Gesellschaften entstehen nur, wenn ein Teil an der Teilhabe und Mitgestaltung nicht ausgeschlossen wird.
Wie weit dieser Weg noch ist, zeigt das Ringen um das Leben der im Iran inhaftierten Sakineh Ashtiani. Der Schilderung eines Hexenprozesses im europäischen Mittelalter gleicht der Bericht Bernard-Henri Lévys über den absurden und willkürlichen Prozess um diese Frau.
http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~E17647ED8F30F4C12842E95AD532AD234~ATpl~Ecommon

Freitag, 5. November 2010

Das war die 44. Kalenderwoche: Überleben - Gestaltung – Konkurrenz – Neuanfang

Unglaublich, das Wunder der Woche: die zum Tod durch Steinigung verurteilte Iranerin Sakineh Ashtiani ist noch am Leben - dank weltweiter und Web 2.0 gestützter Intervention! Gelang es, zunächst die in der Scharia verankerte Strafe auf Ehebruch in die mildere Variante des Hängens zu wandeln, wurde die für den Mittwoch geplante Vollstreckung ein weiteres Mal ausgesetzt. Dennoch, die realen Haftbedingungen und vorangegangenen Verhöre möchte sich wohl niemand ernsthaft vorstellen.
Gerade vor diesem Hintergrund erscheint aus westlicher und allgemein medial eingeschränkter Sicht, die Abschlusserklärung des 3.! Kongresses der Organisation der Arabischen Frau in Tunis umso begrüßenswerter. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau wird hier nicht allein als längst fälliger Entwicklungsschritt gefordert, sondern als elementarer Bestandteil zum erfolgreichen Bestehen ganzer Gesellschaften. Die Mitwirkung bei Umweltpolitik und nachhaltiger Entwicklung, die Gleichberechtigung zur Eindämmung von Extremismus sowie die Beteiligung an Entscheidungsgremien, um auf "Friedensstiftung und Konfliktschlichtung" Einfluss nehmen zu können, sind als Forderungen klar formuliert.
 Aber der Weg ist weit. Gerade mal 107 Jahre sind vergangen, seit Frauen in England vehement für ihre Rechte fochten, 33 Jahre seit eine verheiratete Frau in Deutschland ohne Einverständnis ihres Gatten erwerbstätig sein darf und schon fühlen sich Männer deutlich benachteiligt. Männerforscher Walter Hollstein sorgt sich im Interview mit WeltOnline, wie denn nun Männer und Jungs angesichts der weiblichen Konkurrenz besser gefördert werden können. Willkommen im Wettbewerb! Den Grund für schlechtere Gesundheit, um 5 Jahre frühere Sterblichkeit, höhere Selbstmordraten, Schulabbrecherquoten und Straffälligkeit sieht der Forscher in der bevorzugten Förderung von Mädchen und Frauen! Ohne Bevorzugung jedoch keine Förderung. Die über Jahrtausende verteidigten männlichen Vorrechte scheinen inzwischen genetisch manifestiert. Mann begreift sich als Opfer, statt die Herausforderung anzunehmen und wendet offenbar sehr viel Energie darauf, um an Bestehendem festzuhalten oder verlorenes Terrain wieder zurück zu gewinnen. Frau verfolge nur die letzte Sendung von Hart aber fair „Quoten, Krippen oder Ellbogen – was brauchen Frauen zum Erfolg?" Ach und überhaupt: werden Jungs bei der Bildung benachteiligt und Männer sind - laut Aussage des GeschlechterforschERs - viel eher von Arbeitslosigkeit bedroht. Frau kann sich nur die Augen reiben, denn wer hindert junge SchulabgängER daran, z.B. GrundschullehrER zu werden oder eine Ausbildung zum KindergärtnER zu durchlaufen und so die Gesellschaft mit zu gestalten? Frauen, die mehr als ihre Partner verdienen, kratzen am männlichen Image des Ernährers, gibt der Forscher zu bedenken. Wie viele das sein dürften, bleibt offen; denn innerhalb der EU beträgt das allgemeine Lohngefälle zwischen Männern und Frauen 18%; in Deutschland sind es 23,2%. Auch Führungspositionen machen vor einer Abstufung nicht Halt. Unter den ersten 15 Plätzen in Sachen Gleichberechtigung nimmt Deutschland den 13. Rang ein – 2009 war es noch der 12.. Nun sollen es Erziehung und Bildung richten und damit – zur Zeit wenigstens – wieder die Frauen. Von 100 Alleinerziehenden sind 87 Frauen.
Ganz ohne öffentliche Förderung, aber mit viel Ausdauer und Hartnäckigkeit haben es Fußballerinnen geschafft, dass am 30. Oktober 1970 vom DFB das 1955 verhängte Frauenfußballverbot aufgehoben wurde. Offenbar ein großer Schreck für die Herren in den Fußballverbänden, denn flugs wurde ein Länderspielverbot verhängt, so dass die Teilnahme an der inoffiziellen Weltmeisterschaft in Mexiko – trotz Einladung – dem deutschen Team verwehrt blieb. Man stelle sich das für den Männerfußball vor. Es gäbe ihn wahrscheinlich nicht mehr - nach einem solchen Rückschlag. Aber jetzt ist ja alles gut - im nächsten Jahr findet die Weltmeisterschaft des Frauenfußballs auf deutschem Boden statt.
Auf Berliner Boden wurde nach 75 Jahren zum zweiten Mal wieder eine Frau zur Rabbinerin ordiniert. Ihre Vorgängerin, die in Auschwitz ermordete Regina Jonas, kam nach ihrem Studium in Berlin 1935 zu diesen Ehren. Die junge Ukrainerin Alina Treiger beschreitet auch heute noch einen ungewöhnlichen Weg. "Unglaublich, dass ich die zweite bin" kommentiert sie das Ereignis, das nur in liberalen Gemeinden möglich ist.
http://www.tagesspiegel.de/meinung/es-ist-wirklich-unglaublich-dass-ich-die-zweite-bin/1973800.html

Samstag, 30. Oktober 2010

Das war die 43. Kalenderwoche: Frauen - Wirtschaft - Politik und harte Bandagen

"Die Welt der Zukunft gehört den Frauen" lautet eine Überschrift im Hamburger Abendblatt, das sich auf Artikel des schwedischen Professors für Genetik und Biologie, Arne Jernelöv, beruft. In "Amazonia - die Welt der Zukunft, die von Frauen beherrscht wird" kommt es eben weniger auf Muskelkraft und Kampfeswillen an, sondern auf "Empathie und soziale Intelligenz", so der Professor und belegt dies mit einem Vergleich von Stellenausschreibungen über fünf Jahrzehnte. Genügte es in den 50er Jahren noch "ordentlich" zu sein, kommt es heute auf die Fähigkeit zur Zusammenarbeit an.
Damit dieses goldene Zeitalter ein bisschen schneller Wirklichkeit wird, plädiert die CSU für die Frauenquote. Das deutsche Handwerk scheint von der neuen Weiblichkeit schon zu profitieren, sind jetzt bereits 27 Prozent der Lehrlinge Lehrlinginnen und in jedem vierten Betrieb der Chef eine Chefin.
Damit Frauen, die auch in unserem Land unter archaischen Strukturen zu leiden haben, erste Schritte in Richtung Selbstbestimmung machen können, soll nun die Zwangsverheiratung ein eigener Straftatbestand sein. Fünf Jahre Haft können dann jenen drohen, die Tochter, Schwester oder Cousine unter den Schutz eines Ehemanns zwingen.
Wie gut die Frauen Nepals auf diesen Schutz verzichten können, davon weiß die taz zu berichten. In dem hinduistisch geprägten Land, wo die Geburt eines Mädchens häufig als Fluch gilt, gibt es im Distrikt Chitwan nicht viel, auch Männer nicht. Die sind zum Jagen in die Golfstaaten gegangen oder zu den Streitkräften. Ungestört gründen Frauen Kooperativen, organisieren sich auch jenseits von Haus und Hof für eine effektivere Versorgung mit Nahrungsmitteln. Die Vorsitzende der Fischerei-Kooperative findet, Männer haben dabei nichts zu suchen: "wenn Männer bei uns mitmachten, würden sie versuchen, die wichtigen Funktionen an sich zu reißen. Da bleiben wir lieber unter uns." Männer sind besser im Ausland aufgehoben, wo sie Erfahrungen machen und lernen, Althergebrachtes zu prüfen und ggf. der Vergangenheit zu überlassen.
Im arabischen Kleinstaat Bahrein - Austragungsort der „Arab Women's Football ARABIA Cup 2010“ – haben es Frauen immerhin schon bis in die Politik geschafft; denn bei der diesjährigen Wahl gelangt nun zum zweiten Mal eine Frau ins Parlament – wie bereits 2006.
Meg Whitmann (Ex-Ebay-Chefin) und Carly Fiorina (Ex-HP-Chefin) liefern sich in diesen Tagen einen Kampf mit harten Bandagen um politische Posten in Kalifornien. Einst auf den mächtigsten Vorstandsposten in den USA, scheinen beide durch das raue Klima – ganz oben - geprägt. Ob allein wirtschaftliche Gründe die ehemalige HP-Chefin dazu veranlasst haben, innerhalb von sechs Jahren 30.000 Mitarbeiter zu entlassen, oder möglicherweise auch der Druck, den Beweis zu erbringen, dass frau notfalls hart wie ein Kerl durchgreifen kann, bleibt Spekulation. Schließlich teilte sie das Schicksal ihrer ehemals Untergebenen, was die HP-Aktie deutlich steigen ließ. Diese Vergangenheit ist keine gute Voraussetzung, um Sympathie bei den Wählern zu gewinnen. "Empathie" und "soziale Kompetenz" sind schwer bilanzierbare Größen, die aber im Wahlkampf durchaus zu harten Fakten generieren können. Meg Whitman hat es da etwas leichter, wirkte sie doch an dem Erfolg von Ebay zehn Jahre lang mit und schuf Arbeitsplätze. Nun verfügt sie über ein stattliches Vermögen, das ihr Streben nach dem Amt als Gouverneurin des Sonnenstaates finanziert. Viel hilft aber nicht immer viel – auch nicht Geld. Mit ihrem ruppigen Boss-Verhalten überzeugt sie in einer Fernsehshow wenig als künftige Landesmutter und verhilft eher ihrem demokratischen Gegner Jerry Brown auf Platz eins in den Umfragewerten.
Wenn zwei das Gleiche tun, ist es eben noch lange nicht Dasselbe. Männliche Muster kopieren reicht nicht.
http://www.handelsblatt.com/politik/international/meg-whitman-und-carly-fiorina-von-der-konzernspitze-in-die-grosse-politik;2677933

Freitag, 22. Oktober 2010

Das war die 42. Kalenderwoche: Von der Dornröschen-Falle zum Frauenfußball

Eigenständigkeit, selbst Verantwortung übernehmen, das fordert die Philosophin und Moderatorin Thea Dorn in ihrem neuesten Buch Ach, Harmonistan den Frauen ab. Statt in die Dornröschen-Falle zu treten, rät sie, Blaubart auf gleicher Augenhöhe zu begegnen und ihn mit seinem Geheimnis furchtlos zu konfrontieren.
Diesen Weg ging und geht Carla del Ponte, ehemalige Chefanklägerin des internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag. Slobodan Milosevic belegt wohl einen der ersten Plätze in der Blaubart-Skala des 20. Jahrhunderts, zeichnete er doch für eine Kriegsführung, denen Frauen in besonders perfider Weise zum Opfer fielen. Der Strafe, 33 Jahre im Gefängnis zu verbringen, entzog er sich durch das eigene Ableben. Raffinierte Flucht? Jetzt jedenfalls ist Carla del Ponte als Botschafterin der Schweiz in Argentinien unterwegs. Im FAZ-Interview vom 16. Oktober legt sie dar, dass Frieden nicht immer mit einer gegenseitigen Harmonievereinbarung zu erreichen ist, sondern auch die Fakten auf den Tisch gehören; manchmal braucht es dazu auch die Faust auf demselben.
Mut, Hartnäckigkeit und die Wahl z.T. ungewöhnlicher Mittel führten dazu, dass nun der Frauenanteil beim Medizinstudium die 50%-Marke überschreitet. Nachdem Bayern! 1903 Frauen für das Medizin-Staatsexamen zuließ, erhielt 1904 die in England geborene Hope Bridges Adams Lehmann als erste Frau in Deutschland die mühsam errungene Anerkennung und durfte den Doktortitel führen. Gut sechzig Jahre zuvor sah sich die schottische Chirurgin Barry gezwungen, sich 50 Jahre lang als Mann zu verkleiden und James zu nennen. Dieses Geheimnis wurde jedoch erst nach ihrem Tod im Jahr 1865 offenbar, als das Dienstmädchen den Leichnam des berühmten Arztes waschen sollte. (Mehr unter: http://www.aerztezeitung.de/panorama/default.aspx?sid=623291)
Also, alles noch gar nicht so lange her!
Vor, vor, noch ein Tooooor!!!! Möchte frau und wohl auch mancher man den Frauen zurufen, die gleichsam an zwei Fronten kämpfen. Statt sich gemäß streng islamischer Kleiderregel zu verhüllen, legen sie den hinderlichen Chador oder gar die Burka ab und begeben sich im körperbetonten Trainingsoutfit auf das Spielfeld und kämpfen um das runde Leder. Der Frauenfußball, auch hierzulande eine belächelte und nicht selten verspottete Sportart (obwohl Weltmeister(innen) – jawohl, meine Herren!), trägt die nächste Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland aus. Mit dem  „Arab Women's Football ARABIA Cup 2010“ in Manama/Bahrain bereiten sich verschiedene Frauenschaften in diesen Wochen auf das bevorstehende Ereignis vor.
Fußball, international nach wie vor wohl die Männerdomäne im Sport, verhilft arabischen Frauen, sich aus Blaubarts Kammer zu befreien – und sei es erst einmal auf dem Spielfeld.

Mittwoch, 20. Oktober 2010

#Medien: Deutsches #Ärzteblatt: Nachrichten "Wissenschaftliche Hintergründe zu Suiziden bei #Migrantinnen"

Ein Thema, was wohl kaum Talkshow-kompatibel ist,  in denen es um Migration geht; schon gar nicht, wenn die männlichen Gäste in der Überzahl sind oder wenn sie ohnehin ganz und  gar unter sich bleiben - bis auf die Moderatorin.....natürlich.

Berlin – Wissenschaftliches Hintergrundmaterial zum Thema Suizid bei Migrantinnen und der Aktion „Beende Dein Schweigen, nicht Dein Leben“, hat die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) veröffentlicht.
Diese Aktion ist Teil einer auf mehrere Jahre angelegten wissenschaftlichen Untersuchung zu der Frage, warum Suizidversuche und vollendete Suizide bei jungen Frauen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland deutlich häufiger sind als bei Gleichaltrigen Deutschen.
Die Studie unter Federführung der Psychiatrie der Charité geht vor allem der Frage nach, welche Risiko-, aber auch welche Schutzfaktoren die Suizidanfälligkeit in dieser Gruppe beeinflussen. Im Interventionsteil der Studie wird in Berlin untersucht, ob und welche Aufklärungskampagnen und Hilfsangebote die Suizidrate verringern können.
Die beteiligten Forscher um Studienleiterin Meryam Schouler-Ocak haben die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Studie „Suizidraten und Suizidprävention bei türkischen Frauen in Berlin“ noch nicht abgeschlossen, dennoch zeichnen sich nach Aussagen der Wissenschaftler erste Ergebnisse ab.
Dazu gehört unter anderem, dass grobe Vereinfachungen aus der jüngsten Zeit, wonach Probleme von und mit Migranten auf deren Unwillen zurückzuführen sind, sich an die deutsche Gesellschaft anzupassen, nicht nur nicht weiter führen, sondern auch falsch sind. Interessierte finden Hintergrundmaterial zum Thema auf einer Internetseite zu der Studie. © hil/aerzteblatt.de

Freitag, 15. Oktober 2010

Das war die 41. Kalenderwoche: #Frauenquoten in #Wirtschaft und #Gesellschaft

Quote hin, Selbstvereinbarung her. Es gibt sie, die Chefinnen in den hohen Führungsetagen wie Cornelia Schmergal. Aber nur dann, wenn die Unternehmen auch bereit dazu sind und Strukturen schaffen, die den Weg nicht an der Glasdecke enden lassen. Sonst geht es kaum oder gar nicht. Vielen hochqualifizierten Frauen mangelt es nämlich am nötigen Testosteron, um bei den erforderlichen Konkurrenzkämpfen entsprechend mitzumachen und vielen hochqualifizierten Frauen mit Familie mangelt es schlicht an der Zeit bei den Hahnenkämpfen - auch bei den verdeckt ausgetragenen - zur Stelle zu sein.
Dass es Joanne K. Rowling geschafft hat,  dem nahezu "klassischen" Schicksal einer alleinerziehenden Mutter und Bezieherin von Sozialhilfe zu entkommen und zur "einflussreichsten Frau" gekürt zu werden, grenzt an Zauberei, die sie sonst in ihren Büchern  beschreibt. Entschlossenheit, Kreativität, starkes Einfühlungsvermögen in die Seelen und Nöte von Kindern und Jugendlichen,  Disziplin und ein Quentchen Glück bescherten den Erfolg. Gratulation.

Wie schön, dass nach Aussage von Bulent Arslan im Interview mit der Zeit viele türkische Frauen sich über eine Verbesserung ihrer Lage freuen können, dank der Strukturen in der deutschen Gesellschaft und ihrer Wertevorstellungen. Necla Kelek, Seyran Ates, Nourig Apfelt, Elham Manea,.... tragen sehr viel zur Integration bei und zum Integragtions-Migrations-Dialog. Sie vergessen die vielen türkischen und arabischen Frauen nicht, die innerhalb dieser Republik noch in archaischen Formen leben, die gebotenen Möglichkeiten nicht oder nur schwer nutzen können.
Wie sich wohl ein Gespräch zwischen Bulent Arslan, Cem Özdemir auf politischer Seite und den Vertreterinnen der emanzipierten, integrierten und nicht zuletzt auch studierten "Migrantinnen" gestalten würde? Ganz ohne Quote, aber die gegebenen Strukturen nutzend, melden sie sich zu Wort - Anfeindungen und sogar Drohungen zum Trotz, manchmal mit dem Verlust der Familienbande. Eine "Quote" könnte helfen, dass gerade sie verstärkt für Talshows, Interviews - kurz, in den Medien angefragt werden.


Quoten sind kein Allheilmittel, aber ein Ansporn etwas zu tun,und sei es, um "die Quote" zu verhindern.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Arme Länder ziehen bei #Gleichstellung vorbei - Nachrichten - DIE WELT - #Wirtschaft - #WELT ONLINE

So machen's also die Anderen.


Die Welt: 13.10.10 Arme Länder ziehen bei Gleichstellung vorbei
Deutschland fällt im "Gender Gap Index" zurück - Lesotho und Philippinen sind besser - Skandinavien ganz vorn
Von Clemens Bomsdorf
Kopenhagen - Deutschland macht in Sachen Gleichstellung der Geschlechter kaum Fortschritte, während die nordischen Länder weiter führend sind. Zu diesem Schluss kommt die jährliche Studie des World Economic Forum. Beim aktuellen Global Gender Gap Index landet Deutschland auf Platz 13 - vor fünf Jahren lag es noch auf Rang fünf. Island, Norwegen, Finnland und Schweden belegen wie gehabt die ersten vier Plätze. Damit haben auch ärmere Länder wie Lesotho (Rang 8), die Philippinen (9) und Südafrika (12) Deutschland hinter sich gelassen.
Untersucht wurde, wie unterschiedlich Frauen und Männer in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Bildung und Gesundheit dastehen. Dabei ging es den Wissenschaftlern darum, die relativen Differenzen zwischen den Geschlechtern zu messen, also etwa den Anteil von weiblichen und männlichen Studierenden oder von Frauen und Männern im Parlament zu vergleichen. Je weniger Frauen vertreten waren, desto weniger Punkte gab es für den Index. Die absolute wirtschaftliche Entwicklung des Landes sollte bei dem Ranking bewusst keine Rolle spielen. Schlusslicht bildet mit Platz 134 der Jemen, Japan nimmt Platz 94 ein, Frankreich 46, die USA 19 und England 15. Die USA schaffen damit zum ersten Mal seit fünf Jahren den Sprung unter die Top 20.
Deutschland leidet darunter, dass Frauen es schwer haben, in Politik und Wirtschaft bedeutende Positionen einzunehmen. Zwar weist der Bericht eine Verbesserung der Stellung von Frauen in der Arbeitswelt aus - im Vergleich mit anderen Staaten hat sich das Land aber weniger angestrengt: "Trotz dieser Gewinne fällt Deutschland im fünften Jahr in Folge zurück, weil andere Staaten größere Fortschritte machten", heißt es in dem Bericht.
An den weiterführenden Schulen und Hochschulen sind Frauen mittlerweile genauso stark vertreten wie Männer. Deutschland kommt in diesem Bereich laut Ranking an die nordischen Länder heran. Doch die gute Ausbildung der Frauen schlägt sich immer noch nicht voll im Arbeitsleben nieder. So ist die Frauenerwerbstätigenquote in Deutschland vergleichsweise niedrig und die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern sind hoch. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Familienministerin Kristina Schröder zum Trotz spielen Frauen im politischen Leben in Deutschland immer noch eine untergeordnete Rolle. In Parlament und Regierung gibt es gut doppelt so viele Männer wie Frauen. Bei Spitzenreiter Island liegt das Verhältnis bei 55 zu 45 Prozent.
Die Studie aus Davos bewertet nicht die Gleichstellungspolitik, sondern schaut nur auf die Ergebnisse. Dennoch schreiben die Autoren, dass politische Vorgaben wie großzügige Ausstattung mit Kindergartenplätzen, Elternzeit und Frauenquoten zu den guten Ergebnissen der nordischen Länder beigetragen hätten. So müssen die Aufsichtsräte größerer Aktiengesellschaften in Norwegen - ASA genannt - seit Anfang 2008 zu mindestens 40 Prozent mit Frauen besetzt werden. Im Jahr 2003 waren nur sieben Prozent aller Aufsichtsratsposten der ASA weiblich, heute sind es 41 Prozent. Es hat sich sogar gezeigt, dass mittlerweile auch die kleineren Aktiengesellschaften im Schnitt die 40 Prozent Quote für ihre Kontrollgremien erreichen, obwohl sie gar nicht müssen.
In Deutschland ist ein entsprechender Vorschlag immer wieder diskutiert worden, eine Gesetzesinitiative gibt es bisher allerdings nicht. Allerdings hat die Studie des World Economic Forum auch ein Manko. Denn, wenn Männer benachteiligt sind, weil sie beispielsweise an den Universitäten nur noch die Minderheit bilden, wirkt sich das nicht negativ auf die an das Land vergebenen Punkte aus, sondern zählt so viel wie absolute Gleichstellung. So studieren an isländischen Hochschulen fast doppelt so viele Frauen wie Männer - das Land erreicht trotzdem den Topwert in diesem Bereich. Wäre das Verhältnis umgekehrt, wäre der Wert erheblich schlechter.

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Zaubermutter: #Rowling zur einflussreichsten Frau Großbritanniens gekürt - #SPIEGEL ONLINE - Nachrichten

Auch dieses Mal ganz ohne Quote!
11.10.2010

Zaubermutter

Rowling zur einflussreichsten Frau Großbritanniens gekürt

Die mächtigste Frau der Welt ist laut "Forbes" Michelle Obama, in Großbritannien dagegen hat die einflussreichste Dame nichts mit Politik am Hut: Die Rangliste wird von Joanne K. Rowling angeführt, Autorin der Harry-Potter-Saga. Ob sie in den Top Ten aber in guter Gesellschaft ist, scheint fraglich.
London - Wie bemisst man Einfluss, wie Macht? Das amerikanische Magazin "Forbes" änderte in diesem Jahr seine Kriterien. Um in die Liste der mächtigsten Frauen der Welt aufgenommen zu werden, musste man Kreativität und Unternehmertum beweisen, das Vermögen war nicht mehr so entscheidend wie in den vergangenen Jahren.
Nun haben die Herausgeber des britischen Zeitschriftenverlags "National Magazine Company" die einflussreichsten Frauen Großbritanniens gekürt. Angeführt wird die Liste demnach von Joanne K. Rowling, die noch vor 15 Jahren als Alleinerziehende von Sozialhilfe lebte - und deren Zauberlehrling Harry Potter sie reich werden ließ.
Zur Begründung wurden Rowlings Schreibbegabung, ihre Hartnäckigkeit auf dem Weg zum Erfolg und ihre menschenfreundliche Veranlagung genannt.
Rang 2 belegt die hauptberufliche Fußballergattin und frühere Pop-Sängerin Victoria Beckham, die heute auch als Modedesignerin arbeitet. Königin Elizabeth II., das Staatsoberhaupt der Briten, folgt auf Platz 3.
Unter die Top Ten schafften es außerdem unter anderem die Modedesignerin Vivienne Westwood (Platz 9) und Samantha Cameron (Platz 6), die Ehefrau von Premierminister David Cameron. Ebenfalls zu einer der einflussreichsten Frauen des Landes wurde Kate Moss gewählt - auch wenn das Topmodel immer wieder durch Drogeneskapaden von sich reden machte. Kommentatoren bemängelten, die Liste werde nur von Prominenten bestückt, während wirklich einflussreiche Frauen aus der Politik kaum vertreten seien.
National Magazine Company gibt in Großbritannien rund 20 Zeitschriften heraus, darunter "Harper's Bazaar" und "Good Housekeeping".
han/AFP
© SPIEGEL ONLINE 2010
Selfmade-Woman. Auch ganz ohne Quote: die Verwandlung von alleinerziehender auf Sozialhilfe angewiesener Mutter zur "einflussreichsten Frau".

Dienstag, 12. Oktober 2010

Frauen-Power: Deutschlands neue Chefinnen - #WirtschaftsWoche

Also doch! Es geht auch ganz ohne Quote, aber mit dem klarem Entschluss entsprechende Strukturen zu schaffen,  wie die Unternehmen Philips, Telekom, Siemens oder Deutz zeigen. Mal sehen, wann andere Unternehmen nachziehen, z.B.  Banken......


Frauen-Power Deutschlands neue Chefinnen

Cornelia Schmergal (Berlin) 08.10.2010  
    Managerinnen entern Vorstände, sollen krisengeschüttelte Unternehmen retten und werden von Headhuntern umworben wie nie. So ändern die Damen die Führungswelt von morgen. Ein Blick in Deutschlands neue Chefinnen-Etagen von WirtschaftsWoche-Reporterin Cornelia Schmergal.
    Anja Krusel
    Bild vergrößern Anja Krusel (Philips Deutschland) Im Januar ist es so weit. Dann geht Anja Krusel als Finanzchefin zu Microsoft Deutschland. Bislang ist die 43-Jährige CFO in der Deutschland-Zentrale von Philips. Mit „Erbsenzählen“ habe der Job heute nichts mehr zu tun, sagt sie. „Da geht es darum, zu gestalten.“ Vier Jahre lang war Krusel zuvor für Philips in den USA tätig. Dort leitete sie unter anderem die Finanzplanung für Nordamerika. Timmo Schreiber für WirtschaftsWoche
    Beim Frühstück wurde ihr klar, dass sie vielleicht doch eine Exotin sein könnte. An diesem Morgen hatte die „Bild“-Zeitung Anja Krusel zum „Gewinner des Tages“ gekürt. „Von wegen Frau und Computer! Anja Krusel wechselt als Finanzchefin zu Microsoft Deutschland“, lautete die Schlagzeile. Ein Geschäftspartner hatte den 20-Zeiler eingescannt und per E-Mail geschickt. „Glückwunsch, Du hast es auf die Titelseite der Bild-Zeitung geschafft“, hatte er gefrotzelt. „Ohne etwas auszuziehen.“
    Genau weiß Anja Krusel nicht mehr, wie lang sie an jenem Tag lachen musste. Aber sie weiß, dass sie es laut und ausgiebig tat. Vielleicht müssen sich manche Herren erst daran gewöhnen, dass eine Frau einen Job macht, der so besonders ist, dass es eine Boulevard-Nachricht trägt.
    „CFO, kaufmännischer Geschäftsführer“, so steht es auf ihrer Visitenkarte. Die 43-Jährige ist oberste deutsche Controllerin beim Elektronikkonzern Philips. Und nie hat sie geglaubt, irgendjemand könnte es ungewöhnlich finden, dass eine Frau die Bilanzen aufstellt. Bis zu jenem Morgen beim Frühstückskaffee.
    „In Führungspositionen war ich bisher immer die einzige Frau“, sagt Anja Krusel. Doch das wird sich bald ändern. Wenn die Managerin im Januar ihr neues Büro in der deutschen Geschäftsführung von Microsoft bezieht, werden die Damen in der Überzahl sein. 7 von 13 Chefsesseln sind dann von einer Frau besetzt.

    Positive Schlagzeilen bei der Telekom

    Dabei ist der Softwarekonzern ein fast schon visionärer Vorreiter. Über Jahre glichen die Chefetagen in Deutschlands Konzernen geschlossenen Herrenclubs. Frauen waren hier nur zum Diktat gern gesehen. Oder vielleicht noch, um den Kaffee zu servieren. Doch das hat sich in den vergangenen Monaten rasant verändert.
    In den Vorständen deutscher Dax-Konzerne, in denen Frauen bislang selten waren wie Wasserstellen in der Wüste Gobi, sitzen seit diesem Jahr immerhin vier Managerinnen. Im Aufsichtsrat des Dax-Riesen Henkel müssen sich die Herren daran gewöhnen, dass ihnen eine Frau das Wort erteilt, ja, vielleicht sogar abschneidet. Und selbst die Telekom sicherte sich ausnahmsweise mal positive Schlagzeilen, als sie vor einem halben Jahr ankündigte, von 2015 an jeden dritten Chefsessel mit einer Frau zu besetzen.
    Seither hat das Unternehmen vier Managerinnen in die Ebene unterhalb des Vorstandes befördert und sechs Kontrolleurinnen in die Aufsichtsräte ihrer Tochterfirmen geschickt. Damit liegt die Frauenquote zwar erst bei zehn Prozent, anvisiert sind eigentlich 30. Aber immerhin ist ein Anfang gemacht. Und weil andere Unternehmen das Medienecho neidvoll bewundern, können sich Headhunter kaum retten vor Anfragen nach Managerinnen. „Bei acht von zehn Suchaufträgen bitten die Auftraggeber darum, verstärkt nach einem weiblichen Kandidaten zu fahnden“, sagt Berit Bretthauer, Partnerin bei der Personalberatung Heidrick & Struggles.

    Frau Chefin kommt an

    Die Wirtschaft wird weiblicher, auf allen Ebenen der Hierarchie. Zukunftsforscher Matthias Horx hat längst den „Megatrend Frauen“ ausgerufen. Auch die Statistik zeigt: Von 2001 bis 2008 ist der Anteil weiblicher Führungskräfte von 22 auf 27 Prozent gestiegen (siehe Grafik).
    Dabei entern die Frauen inzwischen nicht nur traditionell feminin besetzte Ressorts wie Personal, Kommunikation oder Marketing. Sie steuern Finanzressorts (wie Anja Krusel oder Margarete Haase beim Kölner Motorenhersteller Deutz) oder setzen Zulieferer als Chef-Einkäuferinnen unter Druck (wie Barbara Kux bei Siemens). Damit durchstoßen sie die vielbeschworene gläserne Decke.
    Frau Chefin kommt in Deutschland an. Das wurde auch Zeit.
    Für amerikanische Aktionäre ist es seit Jahren normal, dass Top-Konzerne wie Pepsi, Kraft Foods oder Xerox von Frauen geführt werden. Ins Wanken geriet das männliche Selbstbewusstsein erst, als die US-Marktforschungsfirma Reach Advisors im September meldete, dass Managerinnen unter 30 ihre männlichen Altersgenossen beim Gehalt überholen.

    Freitag, 8. Oktober 2010

    #Frauenquote für #Aufsichtsräte? "Kein Pool für Frauen"?


    Österreich ist uns voraus! Während in Deutschland ca. 2,5 Prozent in Aufsichtsräten sitzen, schafft es Österreich auf stattliche 8,7 Prozent. Zwar treffen Frauen "mehr als 80 Prozent aller Kaufentscheidungen", aber soooo schnell sollen sie doch nicht an die entscheidenden Schnittstellen gelangen, vor allem nicht per Quote wie Klaus-Peter Müller (Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher CGK) meint. Aha, also die Erfahrungen in Frankreich oder Norwegen für Deutschland irrelevant? Mehr Krippenplätze sollen das Problem lösen? Sicher ein wichtiger Faktor! Andere Schwerpunkte in der Ausbildung? Selbst In der Bau- oder Zementindustrie dürften die Vorstände nicht mehr am Zementmischer stehen, wenn sie das jemals getan haben und nicht gute Jouristen, Betriebs- oder Volkswirtschaftler sind. Hier wird sie sichtbar, die Glasdecke, an die frau stößt, wenn sie nach oben strebt. Dazu gehört u.a. eine fast kontinuierliche Präsenzpflicht, um die Claims abzustecken. Das lässt sich mit einem nennenswerten Familienleben nur schwer vereinbaren - Krippenplätze hin oder her.

    Müller: "Wir haben keinen Pool für Frauen"

    Mehr als 80 Prozent aller Kaufentscheidungen werden von Frauen getroffen: Welches Auto, welches Haus oder welcher Computer. Die Wirtschaft ist vom weiblichen Geschlecht abhängig. Dennoch muss man Frauen in Top-Positionen mit der Lupe suchen: In lediglich 2,5 Prozent von 200 deutschen DAX-Unternehmen sitzen Frauen im Vorstand. Bei den Aufsichtsräten (AR) sieht es ähnlich aus. In Österreich sind gerade 8,7 Prozent der AR weiblich. Das ruft europaweit Politiker auf den Plan, eine Quotenregelung zu fordern und den bislang freiwilligen Verhaltenskodex für börsenotierte Unternehmen, den Coporate Governance Kodex (CGK), in ein Gesetz zu gießen.
    Kein Gefallen
    Klaus-Peter Müller, Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher CGK und AR-Chef der Commerzbank, steht dem äußerst skeptisch gegenüber: "Der Gesetzgeber würde rasenmähermäßig über alle Unternehmen drüber fahren und keine branchenspezifischen Unterschiede machen." Dies sei jedoch elementar, denn es liege in der Natur der Sache, dass Frauen in der Bau-, Zement- oder Montanindustrie eher dünn gesät seien, während es in der Bank- und Versicherungsbranche einen hohen Frauenanteil gebe.
    Müller warnt auch vor unüberlegten Schnellschüssen: "Wenn die Politik zu hektisch zu viel verlangt, tut sie niemanden einen Gefallen - vor allem den Frauen nicht, denn eine Quotenbesetzung ist das Schlimmste, was ihnen passieren kann." Die Politik solle hingegen bessere Voraussetzungen dafür schaffen. Vielzitierte Vergleiche mit Frankreich oder Norwegen, die über eine sehr hohe Frauenquote verfügen, lässt Müller nicht zu: "Die Politik darf nicht vergleichen, wo sie die Voraussetzungen nicht geschaffen hat." Die geringe Quote sei nämlich auf die mangelnde Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsplätzen zurückzuführen. Einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge hat jede zweite Frau ihre beruflichen Karrierewünsche wegen Familie und Beruf geändert. "Hier müssen wir ansetzen, wenn sich nachhaltig etwas ändern soll", so Müller.
    Dritte Managerebene
    Zudem warb er für Augenmaß und keine Hau-ruck-Aktionen, denn Aufsichtsräte seien für mehrere Jahre bestellt und man könne bestehende Mandate nicht beenden, nur um sie mit Frauen zu besetzen. Aufgrund der Kodexänderung für mehr Frauen in AR erwarte er im Zuge nächster AR-Wahlen deutliche Veränderungen.
    Die Unternehmen fordert der Experte diesbezüglich auf, jetzt die dritte Managementebene mit Frauen aufzustocken. Denn diese brauche rund zehn Jahre, um in eine Vorstandsposition zu kommen. "Man kommt nicht mit dem Fallschirm in der Führungsebene an", so Müller über die unternehmensinterne Führungskräfteentwicklung. Zudem plädiert er zur Errichtung eines Pools über verfügbare Frauen mit ausreichender Qualifikation für AR-Mandate. Denn: "Das größte Problem ist, dass wir gar keinen Pool haben." Kontrapoduktiv ist nämlich auch, wenn sich alle börsenotierten Unternehmen plötztlich um die wenig verfügbaren Frauen reißen.

    Donnerstag, 7. Oktober 2010

    Mode - Macht - Freiheit

    In der gegenwärtigen Debatte um Freiheit, Werte, Migration, Integration, Kopftuch oder nicht; endlich reden  Frauen mit und miteinander. Necla Kelek und Monika Maron unterhalten sich über "Gedankenfeigheit" und sprechen Themen an, wie in  Talkshows kaum denkbar.
    Der Kommentar zur gegenwärtigen Entwicklung in der Türkei von taz-Redakteurin Cigdem Akyol zeigt, wie dringend die Diskussion ist - die differenzierte mit denen, die es betrifft.

    Interview mit #Necla Kelek und #Monika Maron: "Es herrscht immer noch Gedankenfeigheit" - #Debatte - #WELT ONLINE

    Die Welt: 07:19|

    Interview

    Drucken Versenden Bewerten

    "Es herrscht immer noch Gedankenfeigheit"

    Die Autorinnen Necla Kelek und Monika Maron über Gründe und Abgründe der Sarrazin-Debatte / Die Fragen stellte Andrea Seibel
    Von Andrea Seibel
    DIE WELT: Die Hysterie über Thilo Sarrazin hat sich ein wenig gelegt. Was genau ist da passiert?
    Necla Kelek: Die reflexhafte und einhellige Ablehnung des Buches durch alle Parteien von der Regierung bis zu Linken ist schon einzigartig. Nachdem man den Autor arbeitslos gemacht hat, folgt die zweite Überraschung. Plötzlich reden sich alle Politiker das schlechte Gewissen in Sachen Integration von der Seele, um zu beweisen, dass sie jemanden wie Sarrazin nicht brauchen. Die Bundesregierung zaubert in Wochenfrist einen Integrationsplan aus dem Hut, der SPD-Vorsitzende poltert, die alte Garde der Partei und die Basis protestieren, und der Vorsitzende begibt sich - ganz langsam - auf den Rückzug. Gabriel redet plötzlich von strengen Strafen für Integrationsverweigerer. Aber es hat auch etwas Gutes. Die Notwendigkeit, über eine neue Sozial- und Bildungspolitik, über Integration und Islam zu sprechen, ist nun unbestritten. Doch ich sehe auch, dass die Mitverursacher der Integrationskrise - die Migrationsforscher, die Islamfunktionäre, die politischen Sozialarbeiter - sich im Moment wegducken und nur darauf warten, dass sich die Aufregung legt, um in ein paar Wochen an die Fleischtöpfe der Integrationsetats zurückzukehren. Auch bei den Politikern herrscht "Gedankenfeigheit", das heißt, der Mut fehlt, das Problem des Miteinander und der Zukunft unserer Gesellschaft von Grund auf zu analysieren, zu werten und dann zu beraten, was zu tun ist. Stattdessen müssen "Lösungen" her. Und wie die aussehen, ist bekannt.
    DIE WELT: Wie kamen Merkel und auch Wulff dazu, sich derartig zu exponieren?
    Kelek: Ich vermute dass die Kanzlerin dachte, sie bekommt das Thema "par ordre du mufti", also mit ihrer Richtlinienkompetenz, vom Tisch. Eine klassische Fehleinschätzung. Die soziale Realität lässt sich eben auf Dauer nicht von der Tagesordnung streichen, auch wenn man den Überbringer der schlechten Nachrichten vom Hof jagt. Thilo Sarrazin war es vorbehalten, den Bundespräsidenten, die Kanzlerin und die Bundesbank aus einer von ihnen verursachten hochnotpeinlichen Zwickmühle zu befreien. Sarrazin gibt sein Amt auf, um das Amt des Bundespräsidenten nicht zu beschädigen.
    DIE WELT: Was sagen Sie zu dem immer wieder geäußerten Vorwurf, die Sarrazin-Debatte hätte die Integrationsatmosphäre vergiftet.
    Monika Maron: Sarrazin und sein Buch haben die Atmosphäre nicht vergiftet, sondern überhaupt erst offenbart. Wenn jetzt Politiker und ein Teil der Medien behaupten, man hätte nicht Sarrazin gebraucht, um die Probleme der Integration zu erkennen, kann man nur sagen: umso schlimmer. Warum wird die Diskussion dann erst jetzt so offen geführt? Warum wurden Kritiker der Verhältnisse wie Necla Kelek und Seyran Ates als Hassprediger und kalte Krieger beschimpft? Warum hatte es Heinz Buschkowsky, der plötzlich als Lichtgestalt gegen Sarrazin herhalten muss, bislang in seiner eigenen Partei so schwer? Offenbar, weil weder die Politik noch die Medien von der Atmosphäre, die sich längst landesweit ausgebreitet hatte, eine Ahnung hatten. Die Atmosphäre war längst vergiftet, und die Debatte, die jetzt geführt wird, kann zu einem Prozess der Entgiftung werden, wenn endlich ernst genommen wird, warum die Menschen beunruhigt sind und worum sie fürchten. Die Bücher von Thilo Sarrazin und Kirsten Heisig haben den Bürgern eine Möglichkeit geboten, über die Integrationspolitik der Bundesrepublik abzustimmen.
    DIE WELT: Hat es eine Stimme aus den Migrantenverbänden oder von Einwanderern gegeben, die Sie als hilfreich und klug wahrgenommen haben?
    Maron: In den verschiedenen Talk-Runden wurden schöne, gebildete türkische oder iranische Frauen aufgeboten, die sich alle durch Sarrazin gekränkt fühlten, ohne dass ich im Geringsten verstehen konnte, warum, denn sie verkörpern ja die Integration, die er sich wünscht. Sie sind doch der Beweis dafür, dass jeder, der die Sprache beherrscht, der lernt, in unserer Gesellschaft alle Möglichkeiten hat. An meinem Eindruck, dass auf der muslimischen Seite die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstkritik nicht sehr entwickelt ist, hat sich nichts geändert. Es bleibt vorwiegend bei Schuldzuweisungen und Forderungen an die deutsche Gesellschaft. Aber warum reden wir immer nur über die Muslime? Ich kenne eine Familie, die aus Polen gekommen ist. Sie wohnt in einem Haus, in das nach und nach immer mehr Araber eingezogen sind. Und weil die Kinder in eine Schule mit 80 Prozent Migrantenanteil vorwiegend aus muslimischen Familien gehen müssten, nehmen die Eltern jede Arbeit an und verzichten auf vieles, um ihren Kindern eine Privatschule zu finanzieren. Wir sind auch für diese Einwanderer zuständig.
    DIE WELT: Hamburg, Sarrazin, Stuttgart 21 - entfernt sich die Politik immer mehr von der Durchschnittsgesellschaft?
    Maron: Ich frage mich, ob Sarrazins Buch auch ohne seine anfechtbaren Teile so unglaublich erfolgreich geworden wäre und zu dieser lebenswichtigen Diskussion geführt hätte - oder ob es immer erst einen Skandal braucht, damit die Notwendigkeit zu handeln von der Politik anerkannt wird. Kirsten Heisig musste unter mysteriösen Bedingungen sterben, und Sarrazin musste sich im Dickicht der Humanmedizin verlaufen, um ein Klima zu schaffen, in dem unzensiert gesprochen werden kann. Diese neue Situation scheint einige Journalisten so zu verwirren, dass sie krampfhaft eine neue rechte Partei herbeizuschreiben versuchen, damit die Lage wieder eindeutig wird. Für mich sind diese Verfechter von Schleier und Kopftuch, die offensichtliche Missstände verschweigen oder beschönigen und Kritiker diffamieren, die eigentlichen Reaktionäre.
    DIE WELT: Was ist für Sie deutsch?
    Kelek: Seit 1995 bin ich deutsche Staatsbürgerin. Meine Eltern stammen aus Anatolien. Aber ich bin auch vom Verstand her inzwischen eine deutsche Bürgerin, besser eine "citoyenne européenne". Die deutsche Gesellschaft hat mich gelehrt, ein "Ich" zu sein, für meine Entscheidungen Verantwortung zu tragen, mich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen. Ich habe mich in diesem Sinne aus dem autoritären Kollektiv der Türken und Muslime und von der Schicksalhaftigkeit des Lebens gelöst. Meine Gefühle, mein Glaube, meine deutsche und meine türkische Familie sind in meinem Herzen, und mein "Türkischsein" ist eine Bereicherung. Auch das ist, wie ich merke, deutsch, und, wenn man so will, säkular, weil man die Dinge voneinander trennt. Als Migrantin habe ich den großen Vorteil, zwei Kulturen zu kennen und vermitteln zu können. Auch das empfinde ich als Verantwortung, nämlich die Freiheit dafür zu nutzen, anderen einen Weg aus der Abhängigkeit zu zeigen.
    Maron: Mir fällt auf, dass wir uns in der öffentlichen Sprachregelung nicht mehr unbefangen Deutsche nennen. Wir sind autochthone oder angestammte Deutsche oder Urdeutsche, aber nicht mehr einfach Deutsche. Wir sind auch nicht mehr die deutsche Gesellschaft, sondern die Mehrheitsgesellschaft. Das heißt, wir entwerfen sprachlich selbst die Parallelwelten. Wo eine Mehrheitsgesellschaft ist, gibt es auch eine Minderheitsgesellschaft. Wollen wir das? Deutsch ist, denke ich, wer die deutsche Staatsbürgerschaft hat, Deutsch spricht und dieses Land als sein Land ansieht, in dem er leben will. Necla ist Deutsche, aus der Türkei stammend, aber Deutsche, so, wie alle Amerikaner zuerst Amerikaner sind. Dieser freiwillige Rückzug schon in der Sprache ist feige und falsch.
    DIE WELT: Sind wir besessen vom Islam?
    Kelek: Der Islam ist eine Religion, für die Politik und Glaube eins ist, die als Kollektiv ihre Gläubigen kontrolliert, die Gesellschaft in Männer und Frauen trennt, weil sie davon ausgeht, dass nur Gottes Gesetze die Triebe in Schach halten können. Solche Auffassungen sind für eine moderne demokratische Gesellschaft ein Problem. Religionsfreiheit sagt ja nicht, dass Grundrechte von Menschen im Namen der Religion außer Kraft gesetzt werden dürfen. Aber diese Kulturdifferenz ist im Islam schwer zu vermitteln, denn der Islam ist keine theologische Einheit, sondern in sich widersprüchlich. Er ist ein Gespenst.
    DIE WELT: Die Muslime, die nicht religiös leben wollen, leiden am meisten unter dem Zwang der Konformität. Die Debatte über die Rolle des Islam nützt auch den Muslimen, die sich aus diesem Zwang befreien wollen. Und vielleicht klärt sie auch die Frage, was Europa eigentlich ausmacht.
    Maron: Wie weit der Islam unser Leben verändert hat, zeigt sich allein schon daran, dass wir andauernd über ihn reden müssen. Keine Religion beherrscht das öffentliche Gespräch so fordernd wie der Islam, was dazu führt, dass die Religion an sich wieder nach einer Bedeutung drängt, die sie seit Jahrzehnten verloren hatte. Mit der Berufung auf die Religionsfreiheit verändert der Islam unseren Alltag - vegetarisches Essen in Kindergärten und Schulen, Burkinis in Schwimmbädern, Moscheen auch da, wo kein Moslem wohnt und in einer Architektur, die keine Rücksicht auf das Stadtbild nimmt, ganz zu schweigen von einem Frauenbild, das wir zum Glück längst hinter uns hatten. Ich möchte von keiner Religion derart behelligt werden. Mir ist egal, wer was glaubt, aber er soll das tun, ohne mir ständig die Diskussion über seine Religion und zunehmend sogar deren Gebote aufzuzwingen. Ich fürchte, wir unterschätzen, dass wir es nicht nur mit den Muslimen zu tun haben, die bei uns leben, sondern eben auch mit dem globalen Anspruch des Islam.
    DIE WELT: Sind wir illiberaler geworden in unseren Debatten?
    Necla Kelek: Wenn man liest, wie mancher Kommentator in den "Leitmedien" auf Kritik am Islam reagiert, wenn, um das aktuellste Beispiel zu nennen, der FAZ-Feuilletonchef Patrick Bahners mich in den "Blättern für deutsche und internationale Politik" des "Fanatismus der Aufklärung" bezichtigt und Alice Schwarzer in der FAZ ein "jakobinisches Demokratieverständnis" unterstellt, dann erinnert mich das an eine urdeutsche Auseinandersetzung. Es erinnert an den "Fragmentenstreit" zwischen dem Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing und dem lutherisch-orthodoxen Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze. Der hielt viel von "Verbalinspiration", das heißt der Irrtumslosigkeit der Schrift, wie es heute die Evangelikalen in Sachen Bibel oder die islamischen Fundamentalisten in Bezug auf den Koran tun. Bahners' Verteidigung des muslimischen Kopftuchs gegen den "Zwang zur Angleichung" von Mann und Frau wird in ähnlich inquisitorischem Ton wie bei Goeze vorgetragen. Hier schreit ein Autor offenbar nach einer religiösen Gesellschaft. Die Musliminnen sollen dafür den verschleierten Kopf hinhalten. Und damit ist er paradoxerweise bei Lessing, der sich in "Nathan der Weise" ja nicht, wie viele meinen, mit dem Islam, sondern mit der lutherischen Orthodoxie auseinandergesetzt hat. Illiberal ist diese Kontroverse nicht, denn ich halte die Angriffe und Zuschreibungen des Frankfurter Hauptpastors aus, wie er hoffentlich meine Artikel erträgt. Illiberal ist das Verhalten der Politik, die jemanden wie Thilo Sarrazin aus Amt und Partei zu drängen trachtet und gleichzeitig behauptet, es gäbe Meinungsfreiheit, weil er doch ungehindert seine Meinung sagen konnte.
    Necla Kelek: Aber ich freue mich, dass wir über die Sache streiten. Ich hoffe auf die Lernfähigkeit der Politik und darauf, dass sie aufhört, Integrationsarbeit als einen Teil der Sozialhilfe zu definieren. Es geht nicht um "verstehen und helfen", sondern die Verantwortung des Einzelnen. Jeder muss Verantwortung für das eigene Leben übernehmen. Der Staat kann Ungerechtigkeiten ausgleichen, aber die "Alle können rein"-Politik der Grünen ist gescheitert und zum nicht geringen Teil Ursache für die Probleme, mit denen dieselben Politiker heute nicht zurechtkommen.
    DIE WELT: Denk ich an Deutschland in ... 20 Jahren ... Aber bitte am Tage und nicht in der Nacht!
    Monika Maron: Hamed Abdel Samad sagt in seinem neuen Buch den Untergang der islamischen Welt voraus - als "logische Konsequenz einer seit vielen Jahrzehnten verfehlten Identitäts- und Bildungspolitik sowie einer asymmetrischen Beziehung zum Westen, die auf Paranoia und Ressentiments basiert". Ich weiß nicht, wie lange Europa auf diesen Untergang warten kann und ob der Islam seinen religiösen und politischen Anspruch aufgibt, bevor die Muslime in Deutschland die Bevölkerungsmehrheit bilden. Es ist wohl vor allem ein demografisches, aber auch ein ökonomisches Problem. Ich bin Schriftstellerin und hoffe natürlich, dass die deutsche Literatur im Gedächtnis der deutschen Bevölkerung bleibt, wie immer sie sich zusammensetzt. Sehr optimistisch bin ich nicht.
    Necla Kelek: Es ist ja nicht so, dass in der Geschichte immer die intelligenten Systeme die Oberhand behalten haben. Oft siegte der, der rücksichtsloser und brutaler war. Untergegangen sind diejenigen, die sich nicht Innovationen und Veränderungen geöffnet haben und keine Gegenwehr leisteten. Wir können für den Islam hoffen, dass er sich der gedanklichen Aufklärung öffnet, aber ein Automatismus ist das nicht. Denn was ist mit der Milliarde Muslime in aller Welt, werden die plötzlich zu Zweiflern? Genauso wenig kann der Westen darauf spekulieren, die Oberhand zu behalten. Wer seine Werte nicht verteidigt und gleichzeitig die Gesellschaft und Religion innovativ weiterentwickelt, den wird die Geschichte bestrafen.
    Necla Kelek: Das erste Gespräch beider über Thilo Sarrazin erschien mit dem Titel "Nicht Sarrazin, sondern die Diskussion spaltet das Land" im Forum vom 2. September.

    Die türkische #Gesellschaft islamisiert sich: #Moden der #Macht - taz.de

    Die türkische Gesellschaft islamisiert sich

    Moden der Macht

    KOMMENTAR VON CIGDEM AKYOL

    Die Entwicklung war absehbar: Wer die türkische Politik beobachtet, musste mit der Aufhebung des Kopftuchverbots rechnen; und wer regelmäßig in die Türkei reist, ohnehin: Denn immer mehr Frauen bedecken ihr Haar, immer mehr Burkaträgerinnen sind zu sehen, die Gesellschaft islamisiert sich - langsam, aber stetig.

    Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will mit der Gesetzesänderung nach eigenen Angaben Demokratie und Freiheit stärken. Viele Türkinnen fürchten jedoch, dass sie mit dem Fall des Kopftuchverbots unter Druck geraten, ihren ganzen Körper zu verhüllen. Und von säkularer Seite werden die Motive Erdogans in Zweifel gezogen, der sich einst dafür stark gemacht hatte, Ehebruch unter Strafe zu stellen.

    Nach dem Putsch von 1980 erließen die Militärs das Kopftuchverbot: Verschleierte Frauen haben seitdem in staatlichen Einrichtungen nichts zu suchen, die Frauen und Töchter religiös Konservativer wurden ausgeschlossen. Aber genau diese sind wieder auf dem Vormarsch: Vor wenigen Wochen gab es eine spektakuläre Verfassungsreform, das Militär hat seitdem weniger Rechte. Die islamisch-bürgerliche Elite löst die Generäle ab und entscheidet über den Kopf der Frauen. Erdogans zwei Töchter mussten wegen ihres Kopftuchs zum Studium ins Ausland, auch seine Frau wird wegen ihres "Turbans" angegriffen. "Ich bin ein leidender Vater", sagte der Ministerpräsident einst und setzt dem nun ein Ende.

    Von dem Leid der Kopftuchträgerinnen, die nicht in die Universitäten dürfen, handelt der Roman "Schnee" des Nobelpreisträgers Orhan Pamuk. Er stellt die Frage, warum der Streit um die großen Fragen der Politik ausgerechnet von alten Männern auf den Köpfen junger Mädchen ausgetragen wird. "Die konservativen Väter befehlen: Du trägst das Kopftuch! Die Generäle befehlen: Weg mit dem Kopftuch!", schreibt Pamuk. Aber hier geht es nicht nur um Mode, sondern um Macht. Die Frauen sind lediglich ein Spielball der Obrigen.
    via taz.de