Montag, 6. Juni 2011

Das war die 22. Kalenderwoche: Utopia - Fußball-Sommermärchen II

Fachkräftemangel. Kindererziehung. Pflege. Wenn die Vorschläge von Arbeitsmarktforscherin Jutta Allmendinger wahr würden, hätten wir nicht nur einen Teil der 5,6 Millionen Frauen von Herd und/oder schlechter bezahlten Teilzeitjobs in attraktive Arbeitsverhältnisse gebracht; nein, auch der Mangel an Fachkräften wäre gelindert. Zudem dürften diejenigen Unternehmen in die Hände klatschen, die eine Quote für Mumpitz oder nicht praktikabel halten; denn es fehlt ihnen – aufgrund jahrzehntelangen Dornröschenschlafs in Sachen Personalpolitik -  schlicht an nachrückenden Führungsfrauen. Aber alles wird gut! Was die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin im Interview nämlich skizziert, bedeutet in letzter Konsequenz einen grundlegenden Wandel des wirtschaftlichen Denkens mit einem notwendig veränderten Verständnis des sakrosankten Wachstum. Was einige Unternehmen schon jetzt – durchaus mit Erfolg – ausprobieren wird Standard.
Wir stellen uns also vor: Utopia.
Zeit ist Geld. Das ist bekannt und gelebte Realität. Aber Geld ist auch Zeit. Statt bis zum Burn-out 50, 60 oder gar 80 Stunden in der Woche zu malochen, werden die in einer solchen Lebensphase gesammelten Stunden auf ein Zeitkonto eingezahlt. Vom Konto abgehoben werden sie, wenn zu erwartender Nachwuchs seinen Tribut fordert oder – etwas später – ggf. zu pflegende Angehörige. Da nun zunehmend Frauen in gut bezahlten und qualifizierten Verhältnissen arbeiten und es familienwirtschaftlich keinen Sinn mehr macht, diese aufzugeben, werden immer mehr Männer gefordert, ihr Zeitkonto in Anspruch zu nehmen; sich in ihrer Eigenschaft als Väter, Söhne oder schlicht Verwandte an familiären Notwendigkeiten wie Erziehung und Pflege aktiv zu beteiligen. In einigen Betrieben oder Parteien gehört es ja jetzt schon zum guten Ton, wenn junge Väter ihren Beitrag zur Betreuung leisten. Sind heute kinderwagenschiebende Männer keine Sensation mehr, so wird es zukünftig noch mehr Topmanagern möglich sein, neben dem Tagesgeschäft auch Tipps auszutauschen, wie der an Demenz erkrankte Vater beruhigt werden kann, wenn mal wieder die Orientierung abhanden gekommen ist. Eine nahezu permanente Präsenz würde immer weniger der Revierverteidigung am Arbeitsplatz dienen, sondern verdächtig erscheinen. Erziehende und/oder pflegende Arbeitnehmer(innen) gehen ihrer Tätigkeit dagegen mit einer reduzierten Stundenzahl dank moderner Kommunikationsmittel von zuhause aus nach und halten zudem den Kontakt zum Unternehmen. Damit eine Teilzeitarbeit überhaupt möglich ist, muss eine externe Betreuungsmöglichkeit gegeben sein. Ein Bildungssystem, das bereits im Kindergarten für eine qualitativ gute Betreuung sorgt und nach dem Schulunterricht Kinder und Eltern mit den Hausaufgaben nicht allein lässt, wird junge Menschen in die Arbeitswelt entlassen, die in der Lage sind, eine Ausbildung überhaupt erst anzutreten. Statt eine heute erkleckliche Anzahl von  Schulabgängern erst mit den Grundrechenarten oder fundamentalen Rechtschreiberegeln vertraut zu machen, geschweige mit sog. Sekundärtugenden, können sich künftig Arbeitgeber jedes Jahr über qualifizierten Nachwuchs freuen. Der Begriff Fachkräftemangel ist dann vergessen. Inzwischen ist es in Utopia für alle selbstverständlich, sich auch um familiäre Belange zu kümmern und sie nicht nur zu delegieren. Das durch diese Erfahrung gewachsene Bewusstsein, dass Erziehung von Kindern und Pflege von Menschen höchste Ansprüche an diejenigen stellen, die diese Arbeit leisten, führt zu deren adäquater Bezahlung und gesellschaftlicher Anerkennung. Eine vorübergehend eingeführte Geschlechterquote von 40 Prozent wird in diesen Berufen rascher zu mehr KindergärtnERn, GrundschullehrERn und PflegERn führen. Insgesamt gelten nicht mehr allein die unmittelbare Gehaltserhöhung oder der höhere Jahresabschluss als Leistungsnachweis und Statussymbol, sondern die Kompetenz in Kategorien der Nachhaltigkeit zu denken und zu handeln. Wer nur auf die Zahlen blickt und sich zu kurzfristigen Entscheidungen hinreißen lässt, die den Gewinn nur für das eigene Unternehmen und die Erhöhung der persönlichen Bonuszahlungen fördern, wird als Gefahr für Volkswirtschaft, Gesellschaft und damit – in letzter Konsequenz – auch für das eigene Unternehmen identifiziert. Gravierende Managementfehler, die zu globalen Finanzkrisen, zu drohenden Kollapsen ganzer Staatshaushalte führen konnten, wurden in vor-utopischen Zeiten – wir erinnern uns - auf dem Rücken der Steuerzahler ausgetragen. Gemischte Teams auf allen Ebenen sorgen aber nun für differenzierte und belastbare Entscheidungen. Die Definition von Wertschöpfung und Bruttoinlandsprodukt beschränkt sich nicht mehr nur auf das Umsetzen von Produkten oder Dienstleistungen, sondern binden das Potential gut ausgebildeter Arbeitskräfte in der Bevölkerung mit ein, ebenso wie eine ausgewogene Demografie und die Bereitschaft, Steuern und Versicherungsbeiträge zu bezahlen, da jedem eine qualitativ hochwertige Versorgung im Bedarfsfall und im Alter sicher ist.
Schön, nicht?!
 "Man muss das Kindergeld kürzen"
Autor: Das Gespräch führte Flora Wisdorff
Arbeitsmarktforscherin Jutta Allmendinger fordert mehr Beschäftigung von Müttern - und verrät, wie sie sich das vorstellt
Work-Life-Balance heißt für Frauen etwas anderes
Es hat sich einiges getan in der sogenannten Lastenverteilung zwischen Familie und Beruf - Europäische Studien weisen den Fortschritt aber deutlich als bis jetzt limitiert aus - Work-Life-Balance ist für Frauen anders
Mehr zum Thema Pflege und den Notstand:

Wirtschaft:

Eine vorausschauende Handlungsweise entspräche dem homo oeconomicus in der Definition eines Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.), der den Markt nicht als isoliertes System versteht, sondern in die "politische Ordnung" eingebettet, wozu natürlich auch Privathaushalte gehören. Haus-halten bedeutet eben, ein Haus zu halten und damit Maß halten.
Wirtschaftsgeschichte
Die Antike plädiert für eine Ethik des Maßes
Die Ausgaben dürfen nicht höher sein als die Einnahmen. Von Hartmut Leppin

Ganz weit weg von Utopia....
Männer als Quotenopfer Autor: Clemens Wergin
Clemens Wergin findet, dass die Männer von heute frauenfreundlich genug sind. Jetzt sollen sie auch noch für die Fehler ihrer Väter mit einem Karriereknick bezahlen.


Sport:

Die Zukunft hat aber schon begonnen. Wenig beachtet, und wenn, dann verlacht, soll nun dem Frauenfußball während der WM mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Inzwischen merken auch SponsorEN von der Deutschen Bahn bis zu ADIDAS und die ManagER des DFB, dass die weibliche Variante des Fußballs durchaus ein Geschäft werden könnte, mit 700 000 Mädchen und Frauen, 13 500 Mannschaften. Ein ganz Kleines – zunächst – in das etwas weniger als ein 1/10 des Etats einfließt, der für die WM 2006 aufgewendet wurde, nämlich ca. 50 Millionen gegenüber 530 Millionen. Subventionen der öffentlichen Hand wurden erst gar nicht beantragt. Aber immerhin ein Anfang! Erst seit knapp 41 vom DFB nicht mehr verboten, wird der Frauenfußball förderungswürdig, als Integrationsmittel auch für Mädchen ernst genommen. ARD und ZDF tun das ihre dazu, wollen alle 32 Spiele übertragen, informieren und unterhalten unter Verwendung neuester Technik. Während die Öffentlichkeit auf allen Medienkanälen nach jedem Qualifizierungsspiel über Gesundheitszustand und Befindlichkeit der männlichen Spieler informiert wird, sind die Namen der Spielerinnen und zweifachen Weltmeisterinnen kaum bekannt. Nicht zuletzt Steffi Jones ist es zu verdanken, dass das Berliner Olympiastadion jetzt schon für das Eröffnungsspiel am 26. Juni ausverkauft ist.
Hier also die Namen: Birgit Prinz, Kapitänin; Nadine Angerer, Tor; Ursula Holl, Tor; Bianca Schmidt, Abwehr, Celia Okoyino da Mbabi, Mittelfeld; Saskia Bertusiak, Mittelfeld; Kim Kulig, Angriff; Babett Peter, Abwehr; Verena Faisst, Abwehr; Annika Krahn, Abwehr; Martina Müller, Angriff; Melanie Behringer, Mittelfeld; Kerstin Garefrekes, Mittelfeld; Inka Grings, Angriff; Fatmiere Bajramaj, Mittelfeld; Lina Bresonik, Mittelfeld, Lena Goessling, Mittelfeld, Alexandra Popp, Mittelfeld; Almuth Schult, Tor.

Weitere Hintergründe in der Verlagsbeilage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (05. Juni 2011, Nr. 22) "FFA FRAUEN-WM 2011"
Spielplan zum Downloaden unter:

Sommermärchen auf Schwäbisch
Augsburg ist einziger bayerischer Austragungsort der Frauen-Fußball-WM und hofft auf wirtschaftliche Impulse für die ganze Region


Kunst:

Rosa Loy, gegenständliche Malerin, die sehr weibliche Sujets wählt und trotzdem ausgestellt wird – oder gerade deswegen. Und zwar in der Kunsthalle Gießen, bis zum 26. Juni 2011.
Bella Figura
Die Frau in ihrem eigenen Kosmos: Die Kunsthalle Gießen zeigt die Malerin Rosa Loy, und längst hat sie auch der internationale Markt entdeckt.
Von Rose-Maria Gropp


Gesundheit:

Wie lange Utopia noch auf sich warten lässt, zeigen uns auch die Ärzte, die mit Dr. Frank Ulrich Montgomery als frisch gewählten Präsidenten der Bundesärztekammer eher den Schwerpunkt auf die Neugestaltung der Gebührenordnung als auf Strukturwandel setzen. Vielleicht ließe sich hier und da mit moderneren Arbeitsmodellen auch der Ärztemangel eindämmen??
„Ärzte müssen sich mehr in die Politik einmischen“
Auf dem Ärztetag haben Deutschlands Mediziner Frank Ulrich Montgomery zum neuen Ärztepräsidenten gewählt. Unter ihm wird die Ärzteschaft lauter werden. Als erstes Projekt will er die Gebührenordnung der Ärzte renovieren.
Ärztinnen bekräftigen Führungsanspruch
KIEL (di). Der Ärztinnenbund sieht zwar Fortschritte, aber noch keine Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen im Arztberuf. Am Rande des Deutschen Ärztetages warb der Verband für mehr Frauen in den Gremien der Ärztekammern und anderer Organisationen.



International:

Stadt soll mehr Frauen an die Spitze bringen
Von Bernhard Ott.
Die interfraktionelle Frauengruppe des Berner Stadtrates fordert eine Frauenquote von 35 Prozent in den Kaderpositionen der städtischen Verwaltung und der ausgelagerten Betriebe. Auch Frauen aus BDP, FDP und CVP unterstützen das Anliegen.

Kontrovers geht's in Malaysia zu. Bildung schützt nicht vor kulturellem Rückschritt, als den Frauenrechtlerinnen die Gründung des neuen Clubs bedauern.
Frauen in Malaysia gründen "Club gehorsamer Ehefrauen"
Eine gute Ehefrau sollte im Bett eine Hure sein"
"Eine gute Ehefrau sollte im Bett eine Hure sein", sagte die Vizepräsidentin des heute offiziell ins Leben gerufenen Vereins, Rohaya Mohamad, der Nachrichtenagentur AFP. "Du musst deinen Mann befriedigen, unterwirf dich, wenn er Sex will", riet die 46-jährige Ärztin anlässlich der Clubgründung in Kuala Lumpur.

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